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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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fragte İkmen.
    »Schiwkow hat behauptet, er hätte die Fotos schon. Er ist ungeduldig. Vedat kann sie beschreiben; er hat sie schließlich alle gesehen«, antwortete Sivas. »Natürlich wird Schiwkow sie irgendwann vorlegen müssen, weshalb er wohl gleich noch mal rüberkommen und versuchen wird, mich zum Reden zu bringen.«
    »Psst!« İkmen knipste die Taschenlampe aus und hielt den Atem an. Er war sicher, dass er vor der Tür ein Geräusch gehört hatte. Während seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, schaute er sich um und sah, dass der Heizkörper, gegen den sie lehnten, direkt neben einem Fenster mit bodenlangen, schweren Vorhängen angebracht war. Er hätte nicht sagen könne, was ihn dazu brachte, sie vor sich zu ziehen, es war einfach ein Impuls; »diese seltsame Fähigkeit, genau wie deine Mutter« hatte sein Vater immer gesagt.
    Der jüngste Sohn der Hexe Ayşe İkmen war noch nicht ganz hinter den Vorhängen verschwunden, da flog auch schon die Tür auf, und das Licht wurde eingeschaltet.
24
    Ali Müren war schon tot, bevor er in die Jacke greifen konnte, um seine Waffe zu ziehen. Die schallgedämpfte Kugel traf ihn direkt ins Herz und tötete ihn auf der Stelle.
    Bisher waren vierzehn Männer um den Tisch versammelt gewesen; jetzt waren es nur noch dreizehn.
    Schiwkow, der neben Vedat Sivas am Kopfende saß, machte Anstalten, sich zu erheben.
    »Sitzenbleiben!« Die schwarz gekleidete Gestalt sprach Englisch. Andere Männer, ebenfalls in Schwarz, verteilten sich im Raum.
    Orhan Tepe wandte sich an einen von Schiwkows Leibwächtern, der neben ihm saß, und fragte: »Was soll denn das? Was …«
    »Maul halten!« Der Kolben einer Handfeuerwaffe traf ihn im Genick und ließ ihn verstummen.
    Inzwischen hatte der Raum sich gefüllt. Hinter jedem Mann am Tisch standen jetzt zwei Männer in Schwarz. Wie auf ein Zeichen hin setzte je einer von ihnen dem betreffenden Gefangenen die Pistole an den Kopf.
    Einige Männer am Tisch begannen zu wimmern; ein Amerikaner bekreuzigte sich. Tepe konnte an nichts anderes mehr denken, als dass er sterben würde und dass es seine eigene Schuld war. Der einzige Grund für seine Anwesenheit bei diesem Treffen war seine Habgier und die Tatsache, dass er Ayşe unbedingt haben wollte. Selbst jetzt, im Angesicht des Todes, musste er an sie denken und daran, wie ihr Blut so erregend von seinen Fingern getropft war. Er spürte, wie er steif wurde und musste beinahe lächeln.
    Als Nächstes wurden mehrere Männer von ihren Stühlen gezerrt: Schiwkow und zwei seiner Aufpasser; Vedat Sivas; Schiwkows Schwager, der Georgier Lavrenti; zwei Schläger, die zu Müren gehört hatten; und Tepe. Beim Hinausgehen fiel Tepe auf, dass nur Amerikaner am Tisch zurückblieben. Aber er wusste, dass es zwecklos war, jemanden nach dem Grund zu fragen, schon gar nicht diese gesichtslosen Gestalten, wer sie auch immer sein mochten. Er musste warten, bis die Antwort sich von allein offenbarte.
    Während Tepe und die anderen den Raum verließen, führte man den zitternden, blutüberströmten Hikmet Sivas herein. Er wurde von einer fast schon besorgt wirkenden, schwarz gekleideten Gestalt eskortiert. Vielleicht gehörten diese Männer zu einer Spezialeinheit, möglicherweise sogar zum FBI, und waren gekommen, um die Fotos in ihren Besitz zu bringen. War das der Grund für den Überfall? Hätte General Pamuk doch bloß nicht darauf bestanden, dass sie erst zu Abend aßen, bevor Schiwkow Hikmet die Droge gab, die ihn zum Reden bringen sollte! Die Ausländer hätten sowieso keinen Unterschied bemerkt; sie wussten nur, was Schiwkow ihnen erzählt hatte, nämlich dass die Fotos sich in seinem Besitz befanden und dass sie viel Geld dafür würden bezahlen müssen. General Pamuk hatte sich endlos darüber verbreitet, welche Macht ihnen dieses Wissen in Zukunft bescheren würde. Den ganzen Abend hatte er Schiwkow mit Beschlag belegt. Und dann war er gegangen.
    Tepe spürte, wie er am ganzen Körper zu zittern begann. Ohne auf die Waffe an seinem Kopf zu achten, drehte er sich abrupt zu Schiwkow um.
    »Pamuk hat uns reingelegt!«
    »Maul halten!« Beide Bewacher schlugen von hinten mit ihren Waffen auf ihn ein. Als sie die Treppe erreichten, die zu dem Ort hinunterführte, den Schiwkow und Vedat so gut kannten, spuckte Tepe bereits Blut.
    Fünf Männer blieben am Tisch zurück. Sechs, wenn man Hikmet Sivas mitrechnete.
    Der älteste und mit Abstand dickste von ihnen drehte den schweren römischen Kopf, bis er

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