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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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Männern seinen Ausweis entgegen. Derjenige von ihnen, der mit dem Fuß auf seiner Brust stand, sah ihn sich kurz an und zuckte die Achseln, wobei er seinem Kollegen einen vielsagenden Blick zuwarf. Wer waren diese schwarz vermummten, bis an die Zähne bewaffneten Männer?
    »Wer sind Sie?« Süleyman hatte die Frage noch nicht ganz gestellt, da wusste er auch schon, dass sie zwecklos war. Ihre einzige Antwort bestand darin, ihn auf den Bauch zu rollen und ihm Handschellen anzulegen. Anschließend verbanden sie ihm mit einem groben Stück Stoff die Augen. Der Polizeiausweis schien sie nicht zu beeindrucken. Ob sie ihn überhaupt als solchen erkannt hatten? Und ob sie ihn jetzt wohl umbringen würden?
    Jemand ging neben ihm in die Hocke, und er hörte, wie ein Reißverschluss aufgezogen wurde.
    »Sleep«, sagte eine Stimme, und gleich darauf spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Bizeps. »Sleep« – ein einziges Wort, kurz, abgehackt, auf Englisch. Süleymans Verstand stürzte mit Übelkeit erregender Geschwindigkeit in ein tiefes, schwarzes Loch.
     
    Er hatte richtig vermutet, die Tür war unverschlossen. Um seine Nervosität zu unterdrücken, hob İkmen eine Faust zum Mund und biss sich in die Knöchel. Dann schaute er sich kurz um. Bis auf die Bäume und Büsche, die sich bis zum mittlerweile dunklen Bosporus am Fuße des Hügels erstreckten, war nichts zu sehen. Keine Spur von Süleyman oder İskender. Sie würden schon noch kommen, doch bis dahin fühlte er sich hier ziemlich exponiert. Es gab zwar keinerlei Anzeichen dafür, dass sonst noch jemand in der Nähe war, aber allein für den Fall, dass die Parkwächter vorbeikamen und zum Gebäude hinaufschauten, sollte er lieber hineingehen.
    Die Tür ließ sich leicht und geräuschlos öffnen. İkmen trat in die dunkle Halle und suchte mit den Augen nach der Tür, die Süleyman beschrieben hatte und durch die die Männer angeblich verschwunden waren. Da war sie. Er warf noch einmal einen Blick nach draußen. Seine Kollegen ließen sich offenbar Zeit, dabei sah das zumindest Süleyman überhaupt nicht ähnlich. İkmen runzelte die Stirn. Wenn den beiden irgendetwas zugestoßen war, würde er sich das niemals verzeihen. Erneut schaute er sich um. Es fiel kein Licht durch den Türspalt, was vermuten ließ, dass die Versammlung weiter im Inneren des Gebäudes stattfand. Ob auch diese Tür unverschlossen war? Vielleicht sollte er es einfach ausprobieren. Er sah noch einmal hinaus. Nichts. Allmählich machte er sich Sorgen; immerhin war er bedeutend älter und längst nicht mehr so fit wie die beiden anderen.
    Dann wanderte sein Blick wieder zur Tür. Wenn er schon hier warten musste, konnte es doch nicht schaden, kurz nachzusehen, ob sie verschlossen war. Er konnte sein Glück kaum fassen, als sie bei der ersten Berührung geräuschlos vor ihm aufschwang. Was immer die einstigen Sultane sonst noch getan haben mochten, ihre Palastanlagen waren jedenfalls über jeden Zweifel erhaben. Nur die besten Baumeister, die besten Zimmerleute und die besten Klempner. Von diesen alten Bauherren hätten sich die Verbrecher, deren Monstrositäten während des Erdbebens wie Kartenhäuser in sich zusammengefallen waren, eine Scheibe abschneiden können.
    Aber wo blieben Süleyman und İskender? An der Eingangstür war immer noch niemand zu sehen. İkmen spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Das war kein gutes Zeichen. Irgendetwas musste passiert sein. Oder hatten sie sich einfach davongemacht? Schließlich war keiner der beiden von seinem Vorhaben begeistert gewesen. Aber nein, der Gedanke war einfach absurd: Auch wenn er bei İskender seine Zweifel hatte, Süleyman würde ihn nie im Stich lassen, davon war İkmen überzeugt.
    Doch was, wenn ihnen tatsächlich etwas zugestoßen war? Wo sollte er anfangen zu suchen? Hinter der Tür lag ein langer, von weiteren Türen flankierter Korridor, der auf ein Portal zuführte, unter dem ein schwacher Lichtstreifen zu erkennen war. Und wenn İkmen die Ohren spitzte, konnte er sogar Stimmen hören.
    An der Tür zu horchen wäre zu gefährlich gewesen. Nein, er musste versuchen, von einem der Nachbarräume etwas herauszufinden. Doch was war mit Süleyman und İskender?
    Draußen blieb alles still. Er musste davon ausgehen, dass sie nicht mehr kommen würden. Aber an der Tür konnte er nicht bleiben. Wenn er noch lange hier herumstand und sich fragte, wo sie steckten, würde er überhaupt nichts erreichen. Er ging ein Stück in

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