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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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waren mit glänzendem goldfarbenen Stoff verkleidet, und den Boden bedeckten erstklassige, fast schon leuchtende Kelims. Tepe sah kaum Möbelstücke, nur ein Bett und einen Tisch, auf dem die typischen Accessoires von Luxus und Leidenschaft versammelt waren: Spanische Fliege, französischer Champagner, eine Einwegspritze und ein glänzender Dildo, vermutlich aus Gold. Für die Alten, die einfach keinen mehr hochkriegten. In diesem Raum ließen sich Präsidenten von Prinzessinnen befriedigen, hier erfüllte sich tausendundein Klischee orientalischer Nächte.
    Und hier war Hikmet Sivas offenbar von Schiwkow gefangen gehalten worden; in diesem märchenhaften Raum hatte er ihm wahrscheinlich von den sagenumwobenen Fotos erzählt. Tepe wusste, dass bestimmte Drogen selbst denjenigen Menschen die Zunge lösten, die man vorher wochenlang vergeblich gefoltert hatte.
    Tepe fragte sich, ob auch Hatice İpek hierher gebracht worden war. Hassan Şeker, der Konditor, hatte wohl kaum geahnt, worauf er sich einließ, als er Schiwkow seine kleine Mätresse auf Vermittlung der Mürens zur Verfügung stellte. Und als das Mädchen dann tot und ihr ganzer Körper, bildlich gesprochen, mit seinen Fingerabdrücken übersät war, hatte er Angst bekommen und war nur zu gern bereit gewesen, einiges an Bargeld für ein bisschen Polizeischutz lockerzumachen. Şeker hatte nicht geahnt, dass die Mürens und mit ihnen auch Schiwkow sich dermaßen für seinen neuen Freund von der Polizei interessieren würden. Tepe selbst allerdings auch nicht, bis gestern, als er sich mit Ekrem Müren treffen wollte, stattdessen aber auf Vedat Sivas stieß und İkmens Spinnereien über diesen so genannten Harem plötzlich Wirklichkeit wurden.
    Tepe sah zu Vedat hinüber, der regungslos, mit glasigen, kalten Augen neben der Tür stand. Schiwkow dagegen ging auf das Bett zu; er schien sich in dieser vertrauten Umgebung offenbar heimisch zu fühlen. Die anderen Männer, die verschüchterten Befehlsempfänger und Spießgesellen, standen im Pulk beisammen und beobachteten mit ängstlichen Blicken ihre Wärter.
    »Hinlegen, auf den Bauch!«, rief jetzt einer der Schwarzgekleideten auf Türkisch, was eindeutig nicht seine Muttersprache war.
    Niemand rührte sich.
    »Sofort!« Der Mann richtete seine kurzläufige Maschinenpistole auf die Männer.
    Tepe ließ sich langsam auf einem prächtigen Kelim aus reiner Seide nieder und erwog die beiden möglichen Absichten hinter diesem Befehl. Entweder wollte man sie durchsuchen oder aber – Menschen, die in dieser Position erschossen wurden, verursachten weniger Schweinerei, als wenn sie dabei auf dem Rücken lagen oder gar standen …
    »Ihr könnt mich mal!«
    Das war Schiwkow. Sofort fiel ein Schuss, und als Tepe den Kopf hob, sah er nur noch, wie der Bulgare auf das Bett mit den kostbaren Laken geschleudert wurde und dort mit offenem Mund liegen blieb, wie ein erschöpfter, aber befriedigter Sultan.
    »Runter mit euch!«, bellte der Mann. »Den Kopf auf den Boden. Gesicht nach unten! Nicht hochschauen!«
    Gesicht nach unten! Nicht hochschauen! Ihnen blieb sowieso keine andere Wahl, und was hätten sie schon davon gehabt, den Kopf zu heben? Okay, es war eine stolze Geste, dem Feind ins Auge zu blicken, aber das war etwas für Helden, und Tepe war nun mal kein Held. Im Grunde war er nicht mal Polizist, jedenfalls nicht mehr. Er war jetzt einer von ihnen; einer wie Müren und Vedat, ein Mann, den die Habgier korrumpiert hatte. Und dann lächelte er, weil er sich plötzlich fragte, was seine schöne Ayşe wohl gerade tat.
    Der Feuerstoß der Maschinenpistolen dauerte kaum zwanzig Sekunden. Wer danach noch lebte, wurde mit einer Handfeuerwaffe erledigt.
25
    Polizeipräsident Ardiç musste sich nur selten übergeben; er war sogar regelrecht stolz auf seinen Pferdemagen. Aber nicht an diesem Abend – nicht mit acht Toten in einem blutbespritzten Raum, in dem es nach Metall und Schießpulver roch. Acht Männer, einfach niedergemetzelt.
    Nachdem er sich gesäubert und einen Schluck Wasser getrunken hatte, ging er nach draußen. Auf der Terrasse begrüßte ihn ein hoch gewachsener Mann in einem leichten Sommeranzug. Er bot Ardiç einen der Stühle an, die normalerweise von Restaurantgästen benutzt wurden, und setzte sich dann lächelnd ihm gegenüber an den Tisch.
    »Ihre Unterstützung war von unschätzbarem Wert, Herr Polizeipräsident«, sagte er in einem Tonfall, der erkennen ließ, dass er nicht türkischer Herkunft war,

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