Im Gewand der Nacht
obwohl er die Sprache fließend beherrschte. »Ohne Sie und Pamuk wäre alles unendlich viel schwieriger gewesen.«
»Sie haben einen meiner Beamten erschossen.«
Sein Gegenüber bot Ardiç eine Zigarette an, die dieser gegen seine Gewohnheit annahm.
»Stimmt«, erwiderte der Mann unbeeindruckt und gab Ardiç und sich selbst Feuer.
»Sie haben mir gesagt, wir würden Tepe zurückbekommen.«
Der Mann zuckte die Schultern. »Ich habe gelogen.«
»Ja, das haben Sie, Sie …«
»Ich habe gelogen, Sie haben sich entschieden, mir zu glauben, Ende der Geschichte.«
»Ich habe mich nicht entschieden, Ihnen zu glauben«, brüllte Ardiç wütend, »ich habe Ihnen tatsächlich geglaubt!«
»Nun, das war dumm von Ihnen, nicht wahr?« Der Mann fixierte Ardiç mit zusammengekniffenen Augen. »Als Sie in Ankara waren, bestand Einigkeit darüber, dass diese Sache ein für alle Mal beendet werden muss. Ihr Beamter wusste einfach zu viel.«
»Ach, und Schiwkows Schläger etwa nicht?«, gab Ardiç zurück.
»Jetzt nicht mehr«, erwiderte der Mann mit einem dünnen Lächeln. »Alle Achtung, die Polizei von Istanbul hat heute Abend bei der Säuberung der Stadt wirklich ganze Arbeit geleistet!«
Ardiç starrte den Mann in sprachlosem Entsetzen an.
»Über den kleinen Stadtteil Edirnekapı brauchen Sie sich jedenfalls eine Weile keine Sorgen mehr zu machen«, fuhr dieser fort und fügte, als er Ardiçs graues Gesicht sah, noch hinzu: »Keine Angst, Herr Polizeipräsident, wir haben sehr sauber und sorgfältig gearbeitet.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte Ardiç mit belegter Stimme.
»Vielen Dank.«
Leise und ohne viel Aufhebens trugen schwarz gekleidete Gestalten Leichensäcke aus dem Pavillon zu einem geschlossenen Armeelaster am Ende des Weges. Ardiç beobachtete die grausige Szene und wandte sich dann wieder den blassen Gesichtszügen seines Gegenübers zu.
»Und was ist mit Ali Mürens Söhnen?«, fragte er.
»Oh, Sie werden zumindest ein paar Überlebende brauchen, um das Ganze als gewöhnliches Gangsterszenario mit Entführung, Mord und Prostitution darstellen zu können.«
»Was es auch war«, warf Ardiç ein.
Der Mann lachte. »Von Ihrer Warte aus betrachtet ja, Herr Polizeipräsident.«
»Und von Ihrer?«
Die Miene des Mannes wurde undurchdringlich. »Sie wissen genau, wie wir das sehen, Herr Polizeipräsident, also versuchen Sie nicht, mir dumm zu kommen. Die Müren-Brüder haben zumindest die Leiche des Mädchens verschwinden lassen, nachdem das arme Ding während der ›Befragung‹ durch Schiwkow und seine Kumpane dummerweise gestorben war. Übrigens ein sehr hübsches Mädchen. Außerdem wissen wir, dass die Mürens an der Ermordung eines Stadtstreichers beteiligt waren, der mit Ihrem Beamten İkmen gesprochen hatte. Schiwkows Handlanger haben die alte Frau getötet, diese Schneiderin. Durch die Mürens hatte Schiwkow erfahren, dass sie İkmen gegenüber möglicherweise eine unkluge Andeutung machen könnte. Obwohl er damals noch nicht genau wusste, worin die Verbindung bestand, gab Ihr junger Kollege die Information weiter, ganz das brave Hündchen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil wir ihren Treffpunkt verwanzt hatten.«
»Vermutlich nichts, was ich verwenden könnte«, erwiderte Ardiç bitter.
»Nein.« Der Mann drückte seine Zigarette auf dem Marmorfußboden aus. »Ach übrigens: Ich habe zwei Ihrer Beamten ins amerikanische Admiral-Bristol-Krankenhaus bringen lassen. İskender und Süleyman.«
Ardiç starrte den Mann erschrocken an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Drei Ihrer Leute hatten beschlossen, sich heute Abend hier umzuschauen. Überaus nachlässig von Ihnen, dass Sie nichts davon wussten, Herr Polizeipräsident, aber ich werde es Ihnen durchgehen lassen. Die beiden Jüngeren könnten noch eine Zeit lang ziemlich desorientiert sein. Sie werden ihnen klar machen müssen, dass sie sich in Zukunft aus Spezialeinsätzen gegen das organisierte Verbrechen lieber heraushalten sollten. Das nächste Mal könnten die Gangster sie töten. Was İkmen betrifft …«
»İkmen!« Ardiç spürte, wie sein Herz für einen kurzen Moment aussetzte. Wenn İkmen nicht bei İskender und Süleyman gewesen war …
»Keine Sorge, er lebt«, sagte der Mann freundlich. »Er versteckt sich noch immer in dem Raum, in dem man den alten Hikmet Sivas eingesperrt hatte. Ich nehme an, er hat mit ihm gesprochen. Vielleicht könnten Sie für uns herausfinden, worüber. Wir wären Ihnen sehr dankbar.«
»Was,
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