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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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damit Sie …«
    »Wir waren uns doch einig: Die Sache muss ein für alle Mal aus der Welt geschafft werden, Herr Polizeipräsident.«
    »Und warum haben Sie ihn dann nicht einfach erschossen, so wie Tepe?«
    Der Mann blickte seufzend zu Boden. »Nun, offen gestanden hat es ziemlich lange gedauert, bis wir ihn gefunden hatten, und wenn er wirklich nichts weiß … Er ist, sagen wir mal, ein Original in Ihrer Truppe. Ich glaube nicht, dass sein Tod der Moral der Polizei förderlich wäre. Es lag nie in unserer Absicht, Ihnen zu schaden.« Er lächelte. »Wir haben die Situation entschärft und die Bedrohung neutralisiert.«
    »Meiner Meinung nach ist die Situation, wie Sie es nennen, ziemlich außer Kontrolle geraten«, gab Ardiç zurück. Unvermittelt griff der Mann über den Tisch und packte Ardiç an der Kehle.
    »Das ist mir egal!«, zischte er. »Sie sind ein Nichts, aber die Leute auf Hikmet Sivas’ Fotos sind alles.« Er ließ Ardiç ebenso schnell wieder los, wie er ihn gepackt hatte. »Ich werde dafür bezahlt, den Status quo zu erhalten.«
    Ungeachtet seiner Angst sagte Ardiç mit rot angelaufenem Gesicht: »Dann beschützen Sie also die Mafia.«
    »Die Mafia, wie wir sie verstehen, ja«, erwiderte der Mann. »Herr Polizeipräsident, manche Menschen verfügen über so viel Wissen, dass sie unantastbar werden. Hikmet Sivas ist ein bloßer Amateur, der die Fotos als Lebensversicherung gemacht hat. Die ausländischen Herren, die heute Abend hier waren, haben praktisch gegen jeden mächtigen Mann, den man sich vorstellen kann, etwas in der Hand. Wir wissen, wie sie arbeiten, wir wissen, dass sie ihre Informationen nur unter ganz bestimmten Umständen verwenden würden – und diese Umstände kann man beeinflussen, ohne den Status quo anzutasten.« Er lächelte angewidert. »Hikmet war unberechenbar, er hat die Regeln nicht eingehalten.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er stellte ein Sicherheitsrisiko dar. Er hat die Fotos zu seinem eigenen Schutz gemacht, und sie hätten überall landen können. Er wird sie uns geben, natürlich, aber er hätte sie am Ende auch Schiwkow gegeben. Und Schiwkow«, fügte er hinzu, wobei ein Schatten über sein Gesicht huschte, »hätte sie benutzt.«
    »Ja, wohingegen die Mafia, Ihre Mafia …«
    »Wen wir verstehen, den können wir auch kontrollieren«, antwortete der Mann. »Diejenigen, die wir nicht verstehen, Leute, die mit nur einem dieser Bilder etwa Plutonium kaufen wollen …«
    »Er hätte die Regierung erpressen können?«
    »Regierungen«, antwortete der Mann. »Ich arbeite nicht für eine Regierung, Herr Polizeipräsident. Ich arbeite für die Demokratie, und das ist ein ziemlich großer Verein.«
    »Ja.« Ardiç warf seinen längst erloschenen Zigarettenstummel auf den Boden. »Und wenn İkmen etwas weiß?«
    »Dann werde ich davon erfahren«, erwiderte der Mann ernst.
    »Und was werden Sie tun?«
    Der Mann erhob sich von seinem Stuhl und schob ihn ordentlich wieder an den Tisch. »Ich werde die Bedrohung neutralisieren«, sagte er, wandte sich lächelnd ab und ging zurück in Richtung der Marmortreppe.
    Erst als er fort war, bemerkte Ardiç, dass auch sonst niemand mehr zu sehen war. Keine schwarz gekleideten Gestalten aus Allah weiß welchem Winkel der Erde, keine Leichen, kein Blut – nichts. Nur er, der beruhigende Anblick seines Wagens auf dem Parkplatz und İkmen irgendwo im Malta Köşkü.
    Eine Zeit lang spielte Ardiç mit dem Gedanken, ihn zu suchen. Doch dann entschied er sich dagegen. Wie er İkmen kannte, hatte der wahrscheinlich ziemlich viele Informationen zusammengetragen und sich seinen Reim darauf gemacht. Der blasse Mann dagegen war eine schattenhafte Gestalt, über die Ardiç nur wenig wusste. Er konnte nicht einschätzen, wie mächtig und einflussreich er war und in welchem Maß er Zugang zu Informationen hatte. Und vielleicht hatte man sowohl ihn, Ardiç, als auch İkmen verwanzt. Bei diesen Leuten konnte man nie wissen, so viel war in Ankara deutlich geworden. Nein, am besten überließ er İkmen sich selbst. Er würde schon irgendwie aus dem Pavillon hinaus und nach Hause finden; İkmen war gut in solchen Dingen. Er konnte auch noch morgen mit ihm reden und ihm die Chance geben, über seine Erkenntnisse zu lügen. İkmen war vernünftig, manchmal jedenfalls; er würde wissen, was das Beste für ihn war.
     
    Der Lastwagen brachte die Männer direkt zum Flugzeug, das aufgetankt und startbereit auf der Rollbahn stand. Soweit Hikmet Sivas erkennen

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