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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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oder die Täter in dieser Hinsicht schon ziemlich weit fortgeschritten: Unabhängig davon, ob sie für ihren Tod verantwortlich waren, hatten sie fast jede Körperöffnung des Mädchens brutal missbraucht. Wer konnte schon sagen, wie weit ihre verderbten sexuellen Gelüste sie das nächste Mal treiben würden?
    Arto überlegte, ob er İkmen anrufen sollte, besann sich jedoch eines Besseren und beschloss, ihn zu Hause aufzusuchen. Schließlich war das hier nicht irgendeine Leiche – es handelte sich immerhin um die sterblichen Überreste von Hülyas bester Freundin. Çetin würde sehr sorgfältig abwägen müssen, wie er seiner Tochter die bisherigen Ergebnisse der Gerichtsmedizin beibrachte. Daher war es sicherlich das Beste, erst einmal mit ihm persönlich zu sprechen. Natürlich musste Arto Çetin zu diesem Zweck aus der Wohnung locken, damit sie offen reden konnten – und wie er Çetin kannte, würde der ihn in eine seiner Lieblingskneipen schleppen.
    Arto schrubbte sich Hände und Arme, bis sie rot waren. Dann streifte er sein Jackett über und machte sich auf den Weg zum Parkplatz. Als er aus den Tiefen des Leichenschauhauses ins Freie hinaustrat, war es bereits nach sechs. Da die Sonne immer noch kräftig schien, zog er das Jackett wieder aus, bevor er in den Wagen stieg, ließ dann den Motor an und schaltete die Klimaanlage ein, ein Luxus, den Arto – der ein Anwesen am nördlichen Ufer des Bosporus besaß und mit einer eleganten, wohlhabenden Frau verheiratet war – für eine Selbstverständlichkeit hielt. Sein Freund Çetin İkmen hingegen führte ein vollkommen anderes Leben, und deshalb benötigte Arto die Klimaanlage, um sich ein wenig abzukühlen, bevor er sich die vielen Stufen bis zu der stickigen, chaotischen Wohnung des Kripobeamten in Sultanahmet hinaufquälte.
     
    Während er von der Küche in die Diele ging, warf İkmen einen Blick auf Hülya, die mit dem Telefon auf dem Schoß auf dem Boden saß und mit ihrer Mutter sprach. Ihr kleines, von Kummer verzerrtes Gesicht war noch immer tränennass. Kurz vorher war Canan, Hatices kleine Schwester, von dem Aufenthalt bei ihrer Tante zurückgekehrt, und Hülya hatte es sich nicht nehmen lassen, hinüber in die Wohnung der İpeks zu gehen, um sie zu trösten. Die beiden Mädchen hatten einander umarmt und vor Kummer und Fassungslosigkeit bittere Tränen vergossen. Hinter ihnen, am dunklen Ende des Korridors, hatte İkmen für einen kurzen Moment Hürrem İpeks totenbleiches Gesicht gesehen, das so stumm und ausdruckslos wirkte, als wäre sie innerlich versteinert. Die Tatsache, dass er seine Nachbarin und seine Tochter über die Umstände von Hatices Tod würde befragen müssen, stimmte İkmen nicht eben glücklich. Doch bis dahin würde er Hülya erst einmal in Ruhe mit ihrer Mutter telefonieren lassen.
    »Aber woher sollen wir denn wissen, wo jemand hingeht, wenn er gestorben ist?«, hörte er seine Tochter fragen und beobachtete, wie sie die Stirn runzelte, während sie Fatmas Antwort lauschte. Bevor womöglich eine von beiden beschloss, ihn in dieses Gespräch einzubeziehen, verdrückte İkmen sich rasch ins Wohnzimmer. Auch wenn er wie seine verstorbene Mutter hin und wieder merkwürdige Vorahnungen hatte und auch schon mal Geister sah, waren das Leben nach dem Tod und vor allem die traditionellen islamischen Vorstellungen davon nicht gerade sein Metier. Das war Fatmas Gebiet – schließlich war sie die einzige tief gläubige Person in dem großen İkmen-Haushalt.
    Als İkmen auf den Balkon hinaustrat, stieß er auf Bülent, der bereits dort saß. Sein unschuldiges junges Gesicht, das er der Sonne entgegenstreckte, glänzte golden. Sein Vater setzte sich neben ihn und steckte sich eine Zigarette an.
    »Deine Mutter versucht gerade, deiner Schwester dabei zu helfen, ihren Frieden mit dem Geschehenen zu schließen«, sag te er und blies den Zigarettenrauch über die Divanyolu Caddesi, auf der es von Fußgängern und überfüllten Straßenbahnen wimmelte. »Ich bin froh, dass sie das übernimmt. Ich könnte das nicht.«
    »Aber du hast doch ständig mit Toten zu tun«, meinte Bülent.
    »Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mich daran gewöhnt habe«, erwiderte İkmen. »Selbst wenn jemand zu Tode kommt, den ich nicht kenne, ist es immer noch ein Schock für mich. Aber wenn es jemanden trifft, der mir nahe steht …«
    Er seufzte. »Darüber kommt man nicht hinweg, man findet sich nur irgendwann mit dem Kummer ab. Es gibt Momente, in denen

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