Im Gewand der Nacht
ist, weil ich so schön bin.
Ein weiterer Eintrag, kurz vor Hatices Todestag, weckte İkmens Neugierde, weil Hülya darin erwähnt wurde.
22. Juni. Heute hat Hassan Bey mich wieder gefragt, ob ich ihn in den Mund nehmen will, was ich auch gemacht hab, aber nicht lange. Er würde gerne in meinem Mund kommen, macht es aber noch nicht, weil ich das nicht will. Dafür hab ich es ihm mit der Hand gemacht, und später hat er es sich selbst gemacht, als ich für ihn getanzt hab.
Wenn ich diese Männer aus der Unterhaltungsbranche treffe, werde ich für sie genauso tanzen, natürlich angezogen! Ich hoffe, dass ich ihnen gefalle und dass sie mir einen Job geben. Hülya hab ich nichts davon erzählt, weil sie ihnen vielleicht besser gefällt. Ich weiß, dass das nicht nett ist. Aber ich will wirklich ein Star werden, und sie macht es mir nur nach. Am Schluss hat Hassan Bey dann wieder meine Brüste geküsst und gesagt, dass er mich liebt.
Dieser etwa zwei Wochen vor ihrem Tod vorgenommene Eintrag zeigte eine Seite von Hatice, die weder İkmen noch Hülya kannten. Egoistisch und sich ihrer erotischen Ausstrahlung bewusst, hatte Hatice nicht nur Schauspielerin werden wollen, sondern gleich ein Filmstar. Und offensichtlich dachte sie – zweifellos motiviert durch Hassan Şekers Reaktion auf ihren Körper –, dass diese Leute, die sie irgendwo kennen gelernt hatte, ihr bei der Erfüllung ihrer Träume helfen würden. Sie hatte Hülya erst kurz vor ihrer Verabredung von dem Treffen erzählt – glücklicherweise zu spät für Hülya, um sie begleiten zu können. Hatice hatte ihrer Schwester erklärt, sie habe einen Plan, wie sie ihre arme Familie reich machen könne; bei dieser vagen Andeutung war es aber geblieben. Genau wie ihre Mutter kannte Canan Hatice nur als das nette, keusche Mädchen, das sie immer gewesen war.
Als İkmen für seinen Geschmack genug gelesen hatte, ließ er die trauernde Familie İpek zurück und ging kurz hinüber in seine eigene Wohnung.
Hülya, die seit dem Fund von Hatices Leiche nicht mehr in der Pastahane gearbeitet hatte, saß alleine in der Küche. Sie hatte sie ihrem Vater ein Glas Tee zubereitet, was sie sonst nie tat. Als er eintrat, sprang sie auf und schlang die Arme um seinen Hals.
»Du wirst denjenigen finden, der Hatice umgebracht hat, nicht wahr, Papa?«, brachte sie unter einer Flut von Tränen hervor.
İkmen legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie fest an sich. »Natürlich werde ich das«, sagte er, wobei er die Zweifel, die er jedes Mal zu Beginn neuer Ermittlungen hegte, für sich behielt.
»Onkel Halil hat heute Morgen angerufen, kurz nachdem du weg warst«, sagte Hülya, als sie sich an das Gespräch mit dem älteren Bruder ihres Vaters erinnerte.
Behutsam ließ İkmen seine Tochter los und setzte sich an den Küchentisch. »Was wollte er denn?«
»Er wollte dir nur sagen, dass er deinen Namen in der Zeitung gelesen hat, in einem Artikel über Hatice.« Hülya setzte sich zu ihrem Vater an den Tisch und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich hab ihm gesagt, dass du herausfinden wirst, wer sie umgebracht hat, und er hat zugestimmt. Er meinte, wenn es jemanden gibt, der den Mörder findet, dann bist du das.«
İkmen lächelte. Es tat gut zu wissen, dass seine Familie so viel Vertrauen in ihn setzte, aber es bedeutete auch einen enormen Druck. Und der Umstand, dass das Opfer die beste Freundin seiner Tochter gewesen war, machte die Sache nicht eben leichter.
İkmen wusste, dass er bald mit Hülya über Hatice und ihr Verhalten würde sprechen müssen, und zwar ausführlicher als bisher. Aber nicht jetzt. Jetzt trank er erst einmal den Tee, den sie für ihn zubereitet hatte, lächelte und wechselte das Thema.
»Wenn ich heute Abend von der Arbeit komme, muss ich noch zum Goldbasar«, sagte er, »um uns alle in den Ruin zu treiben, indem ich für Mehmet Süleymans Sohn eine Münze kaufe.«
Ein winziges Lächeln, das nur ein äußerst aufmerksamer Vater entdecken konnte, huschte über Hülyas Gesicht, und ihre Wangen röteten sich kaum merklich. »Hast du dabei an ein bestimmtes Geschäft gedacht?«, fragte sie beiläufig, während sie an ihrem Vater vorbei an die Küchenwand blickte.
İkmen, der Hülya gerne ein wenig neckte, nannte als Erstes ein Geschäft, in dem der junge Mann, in den sie verliebt war, nicht arbeitete. Doch als er sah, wie sich Enttäuschung auf ihrem Gesicht abzeichnete, gab er nach.
»Nein, ich will eigentlich zu Herrn
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