Im Gewand der Nacht
drei zu reden, einem kaum fünfundzwanzigjährigen Burschen mit militärisch kurzem, gegeltem Haar.
»Die Polizei ist hier«, sagte sie, während sie nervös das Besteck auf dem Tisch hin und her schob.
Der Mann mit der auffallenden Frisur verzog das Gesicht.
»Und was wollen die hier?«, fragte er mit krächzender, trockener Stimme.
»Ich weiß es nicht«, log Suzan. »Aber sie reden im Augenblick mit Hassan. Ich glaube, ihr solltet besser gehen.«
»Warum reden sie mit Hassan?«, fragte der jüngste von den dreien, ein traurig aussehender, ständig schniefender Junge. »Er ist ein Niemand. Er ist …«
»Halt’s Maul, Celal«, schnauzte der Anführer des Trios ihn an, stand dann auf und meinte zu Suzan: »Sag deinem Mann, er soll mich anrufen, sobald sie wieder verschwunden sind.«
Suzan richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf. »Und wenn sie ihn mitnehmen?«, fragte sie. »Was dann?«
»Dann wirst du mich anrufen, nicht wahr, Suzan?«, erwiderte er und grinste sie anzüglich an.
»Wir brauchen hier mehr Kaffee.« Obwohl die Stimme des jungen Beamten arrogant und fordernd klang, hätte die Bestellung kaum zu einem günstigeren Zeitpunkt kommen können. Suzan drehte sich zu dem Polizisten um, der hinter der Trennwand hervorgetreten war.
»Kein Problem«, sagte sie lächelnd. »Kommt sofort.« Während sie zur Theke ging, um die Kaffeekanne zu holen, verließen die drei jungen Männer die Pastahane.
Allerdings waren sie nicht schnell genug, um Wachtmeister Hikmet Yıldız’ prüfendem Blick zu entgehen. Er kannte sie zwar nicht alle, aber mit zweien von ihnen hatte er schon zu tun gehabt. Keine »netten« Jungs. Yıldız gefiel der plump-vertrauliche Umgang mit Frau Şeker nicht. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl dabei.
Kaycee wusste nicht mehr so genau, was sie erwartet hatte, als sie in Istanbul landeten, aber ein riesiger neuer Flughafen war das Letzte, womit sie gerechnet hatte. Sie hatte sich wohl irgendeinen schäbigen Dritte-Welt-Flugplatz vorgestellt, mit Baracken und Schuppen, und fast war sie enttäuscht, dass ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Allerdings wirkten die Zollbeamten und die Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde auf beruhigende Weise bedrohlich, genau wie die Polizisten, die unter den »Rauchen verboten« -Schildern standen und genüsslich an ihren übelriechenden Zigaretten oder Zigarren zogen.
»Fast wie in dem Film Zwölf Uhr nachts – Midnight Express « , sagte sie, während sie Hikmet durch die Zollabfertigung hindurch in die Ankunftshalle folgte.
Ihr Mann lächelte. »Das würde ich hier aber nicht zu laut sagen«, erwiderte er. Dann erblickte er einen kleinen, sorgfältig gekleideten Mann in der wartenden Menschenmenge und breitete die Arme aus. »Vedat!«
Der Mann, eine etwas kleinere, verhärmtere Ausgabe des Hollywoodstars, setzte sich langsam in Bewegung und ließ sich bereitwillig von den großen Armen umfangen.
»Bruder!«
»Vedat, ich bin so …« Hikmet fehlten die Worte, und er tat etwas, was Kaycee noch nie bei ihm gesehen hatte: Er brach in Tränen aus und küsste seinen Bruder mehrfach geräuschvoll auf beide Wangen, wobei er sich zwischendurch die Tränen aus den Augen wischte. Diese Begrüßung war das vollkommene Gegenteil der unpersönlichen, nur angedeuteten Küsse, wie sie in südkalifornischen Gesellschaftskreisen üblich waren, dachte Kaycee. Sie fühlte sich an die vollblütigen Beerdigungsfeiern in New Orleans erinnert, bei denen die Trauernden tranken, einander küssten und sich gegenseitig auf die Brust schlugen, um der herzzerreißenden Traurigkeit des Anlasses irgendwie Ausdruck zu verleihen. Daher gefiel ihr das, was sie sah.
Als Hikmet sich wieder gefangen hatte, nahm er die Hand seiner Frau und stellte sie auf Englisch seinem Bruder vor. Sehr charmant, dachte Kaycee, als Vedat Sivas sich kurz verneigte, ihre Hand ergriff und meinte: »Möge Allah dir Glück schenken. Willkommen in Istanbul.«
»Vielen Dank«, sagte sie, »das ist sehr nett.«
Und dann packte sie Vedat zu seiner großen Überraschung an den Schultern und küsste ihn schallend auf die feuchten Wangen. Aus irgendeinem Grund, den Kaycee nicht verstand, fand Hikmet das ausgesprochen amüsant und fing laut an zu lachen, während Vedat sie fast schockiert anstarrte.
Die drei bahnten sich einen Weg durch die überfüllte Ankunftshalle hinaus ins Freie. Vor dem Gebäude schlug ihnen warme Luft entgegen, die aber weniger feucht war als in Südkalifornien, was
Weitere Kostenlose Bücher