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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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İkmen ernst, »irgendwie bewegen wir uns jetzt auf eine politische Diskussion zu. Das wollte ich zwar nicht, aber gut … Demokratien streben nur nach den Idealen, die dieses Wort in sich vereint. Ich glaube nicht, dass es irgendwo wahrhaft demokratisch zugeht. Doch es gibt etwas, wozu diejenigen, die sich Demokraten nennen, verpflichtet sind: Sie müssen viele verschiedene Ansichten anhören und versuchen, sie in Einklang miteinander zu bringen. Gläubige Menschen, weltliche Moralisten, Menschen wie ich – wir alle haben sehr unterschiedliche Meinungen.«
    »Ja, aber was ist, wenn mir eine dieser Meinungen nicht gefällt?«
    »Dann stimmst du zu gegebener Zeit für die Partei, die sich dieser Meinung widersetzt«, sagte İkmen.
    »Ja, aber was ist …«
    »Hör mal, wenn dir irgendetwas nicht gefällt, dann kämpfst du dagegen an, und zwar auf jede Art und Weise, die du für richtig hältst, natürlich im Rahmen des Gesetzes. Ich trete der Meinung, die manche Leute von Hatice haben, entgegen und werde alles daran setzen zu beweisen, dass ihre Vergewaltiger gefährlich sind und eine gerechte Strafe verdienen. Ich bin jedoch nicht imstande, das zu ändern, was andere denken. Und ich kann auch nicht verhindern, dass diese Denkweise möglicherweise Auswirkungen auf meine Ermittlungen haben wird …«
    »Aber …«
    »Aber wenn irgendjemand versucht, mir weiszumachen, dass es sich nicht lohnt, diesen Fall strafrechtlich zu verfolgen, dann werde ich dagegen ankämpfen. Und wenn ich die Ermittlungen nicht fortsetzen darf, werde ich Hatices Vergewaltiger in meiner Freizeit ausfindig machen.« İkmen drückte seine Zigarette aus und nahm einen Schluck aus der Flasche. Hülya, die beobachtet hatte, wie die Züge ihres Vaters einen harten, entschlossenen Ausdruck annahmen, beugte sich zu ihm hinüber und ergriff seine Hand.

8
    Irgendetwas lag in der Luft – etwas, das nichts mit den Ermittlungen im Fall Hatice İpek zu tun hatte. Tepe war erleichtert. Es hatte ihm nämlich nicht gepasst, dass Wachtmeister Yıldız ihm schon am frühen Morgen ein Gespräch aufdrängen wollte. Besonders da es sich um etwas handelte, das kürzlich in der Pastahane in Sultanahmet vorgefallen war.
    »Sie haben also Ekrem und Celal Müren und einen ihrer Jungs in der Pastahane gesehen. Und weiter?«
    »Sie sprachen mit Şekers Frau«, sagte Yıldız.
    Tepe zuckte die Achseln. »Und? Haben Sie gehört, worüber sie geredet haben? Haben sie ihr vielleicht gedroht?«
    »Also, ich konnte nicht genau verstehen …«
    »Dann brauchen Sie sich auch keine Gedanken darüber zu machen«, erwiderte Tepe und ließ den verunsicherten Yıldız einfach stehen.
    Doch jetzt hatten er und Yıldız ganz andere Dinge im Kopf. Ardiç hatte sie alle zu einer Besprechung beordert: Das Viertel Beyazıt war während der vergangenen Nacht praktisch auf den Kopf gestellt worden, zumindest ging das Gerücht um. Aber warum diese Polizeiaktion durchgeführt worden war, wusste niemand so genau, und diejenigen, die etwas wussten, rückten nicht damit heraus, außer dass es sich um eine »große Sache« handelte.
    Als Tepe den Bereitschaftsraum der Mordkommission betrat, verrieten ihm das hektische Durcheinander und der Lärmpegel, dass Ardiç noch nicht eingetroffen war. Auch İkmen konn te er nirgendwo entdecken. Nachdem er Ayşe Farsakoğlu mit einem kurzen Nicken begrüßt hatte, nahm Tepe sich eine der herumliegenden Zeitungen und ließ sich in einer Ecke nieder.
     
    Normalerweise setzte sich im Büro von Polizeipräsident Ardiç niemand einfach so hin – es sei denn, er wurde ausdrücklich dazu aufgefordert. Doch aufgrund der besonderen Situation war Ardiç bereit, eine Ausnahme zu machen, und enthielt sich daher eines Kommentars, als der blasse und erschöpft wirkende Metin İskender sein Büro betrat und sich ohne Umschweife auf einen Stuhl fallen ließ. Der junge Mann war schließlich die ganze Nacht auf den Beinen gewesen und hatte sich und seinen Leuten einen Weg durch illegale Bordelle, zwielichtige Gangsterhöhlen und zahlreiche Drogenumschlagplätze in Beyazıt gebahnt. Seltsamerweise war es ihm weder gelungen, Kaycee Sivas zu finden, noch irgendwelche Informationen über den Verbleib einer schönen, namenlosen Amerikanerin zu erlangen. Aber er und seine Männer hatten mehrere Leute verhaftet, die aus unterschiedlichen Gründen auf der Fahndungsliste standen, und darüber hinaus eine nicht unerhebliche Menge Kokain beschlagnahmt. Wie üblich hatte İskender sich

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