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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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dort.«
    İskender lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und atmete tief durch. Bis auf die Tatsache, dass Kaycee Sivas in einem Stadtteil entführt worden war, in dem jeder zweite Bewohner sich außerhalb der Grenzen der Legalität bewegte, hatte er kaum brauchbare Hinweise. Wie vorherzusehen, hatte der junge Polizeibeamte, der nach der Entführung als Erster vor Ort war, in der hauptsächlich russisch sprechenden Menschenmenge keine Zeugen gefunden. Angeblich hatte niemand das Ledergeschäft betreten, in das die Täter laut Hikmet Sivas’ Aussage seine Frau geschleppt hatten – und er selbst war sich seiner Sache mittlerweile auch nicht mehr allzu sicher. Und obwohl İskender ganz deutlich spürte, dass die beiden Brüder ihm längst nicht alles sagten, was sie wussten, hatte er nichts in der Hand. Er musterte Hikmet und Vedat Sivas mit einem kritischen Blick. In den Augen seines Vorgesetzten dagegen, der gerade den Raum betrat, lag nichts als Ehrfurcht. Das gerötete Gesicht des großen Mannes zeugte von seinem stark ausgeprägten Temperament, und er stolperte vor Nervosität fast über seine eigenen Füße, als er sich Hikmet Sivas vorstellte.
    »Es ist mir wirklich eine Ehre, Sie bei uns begrüßen zu dürfen, Herr Sivas, wenn auch der Anlass so überaus traurig ist«, sagte er, ergriff die Hand des Filmstars und schüttelte sie heftig. »Wir stehen voll und ganz zu Ihrer Verfügung.«
    »Vielen Dank.«
    »Seien Sie versichert, dass wir jede erdenkliche Anstrengung unternehmen werden, Ihre Frau zu finden und unversehrt zu Ihnen zurückzubringen.« Dann schaute er zu İskender hinüber und sagte: »Nicht wahr, Inspektor?«
    İskender, der inzwischen Haltung angenommen hatte, erwiderte: »Selbstverständlich, Herr Polizeipräsident.«
    »Ich danke Ihnen für Ihre Mühe.« Hikmet Sivas lächelte.
    »Oh, es ist mir eine Ehre, Herr Sivas, wirklich eine Ehre! Die Männer unter meinem Kommando werden nicht ruhen, bis dieser hässliche Fleck aus dem ansonsten so makellosen Antlitz unserer Stadt entfernt ist.«
    »Ich danke Ihnen.«
    »Das ist doch selbstverständlich.« Dann wandte er sich an İskender und sagte: »Falls Sie hier fertig sind, nehme ich Herrn Sivas und seinen Bruder mit nach oben in mein Büro.«
    İskender deutete ein Lächeln an und nickte. Nach oben in Ardiçs Büro, zweifellos zu einem besseren Glas Tee und teureren Zigaretten. Was für ein Unterschied zu der Art und Weise, wie hier mit dem kleinen Mann umgegangen wurde. Ruhm und Geld, Geld und Ruhm … Nachdem der Star und sein Bruder den Raum verlassen hatten, nahm Metin İsken der seine Notizen vom Tisch und wollte ebenfalls hinausgehen.
    Doch an der Tür prallte er fast gegen die massige Gestalt seines Chefs. Ardiç sah sich schnell um, als wolle er sich versichern, dass ihm niemand zuhörte, dann flüsterte er İskender zu: »Rufen Sie sofort im Ministerium in Ankara an und geben Sie Bescheid. Das ist ein internationaler Zwischenfall, wir müssen sie informieren. Und dann finden Sie die Frau, Inspektor, bevor man in Ankara auch nur auf die Idee kommen kann, Druck auszuüben. Wenn es sein muss, stellen Sie ganz Beyazıt auf den Kopf, aber finden Sie sie.«
     
    Als İkmen und Hülya an diesem Abend nach Hause zurückkehrten, war Bülent bereits ausgegangen. Obwohl er müde und mit sich selbst unzufrieden war, weil er so viel Geld für eine zugegebenermaßen sehr schöne Goldmünze ausgegeben hatte, beschloss İkmen, dass es nun an der Zeit war, mit Hülya über Hatice zu sprechen. Nachdem er sich ein Efes Pilsener und Hülya eine Cola geholt hatte, setzten sie sich auf den dämmrigen Balkon.
    »Und du bist wirklich ganz sicher, dass dir Hatice vor dem Abend, an dem sie starb, nie etwas von dieser Möglichkeit, als Tänzerin aufzutreten, erzählt hat?«
    »Ja, Papa, ganz sicher.« Hülya schaute mit ernstem Gesicht in ihr Glas.
    »Und als sie dir davon erzählte, erwähnte sie da den Namen Hassan Şeker?«
    »Nein.«
    »Also hatte er, soweit du informiert bist, nichts mit dieser Tanzgeschichte zu tun.«
    »Ich weiß es nicht.« Hülya schaute auf; in ihren Augen schimmerte es feucht. »Aber ich glaube nicht, dass Hassan Bey irgendetwas getan hätte, womit er sie hätte verletzen können. Sie mochte ihn wirklich. Er hätte sie niemals vergewaltigt.«
    »Äh …« İkmen wandte sich ab.
    »Was?«
    »Hülya, wir wissen, dass Hatice schon vorher mit Hassan Bey geschlafen hat.«
    »Willst du damit sagen, dass sie nicht vergewaltigt werden konnte, nur

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