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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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den Müren-Brüdern vergnügen wollte, war überraschend und ausgesprochen amüsant, wie Ayşe fand. Wenn Orhan ihr tatsächlich gefolgt war, dann war er ja vielleicht ein wenig eifersüchtig.
    »Die Mürens sind gefährlich«, sagte er, während sie zusammen weitergingen. »Du solltest dich von ihnen fern halten.«
    »Ich habe Celal letztes Jahr verhaftet«, sagte sie. »Ich gebe zu, er ist eine miese kleine Ratte, aber …«
    »Halt dich von ihnen fern!« Er wandte sich ihr zu und packte sie an den Oberarmen.
    »Orhan!«
    »Das ist Abschaum, und ich will nicht, dass dieses Pack dich so anstarrt!«
    »Aber Orhan, ich habe mir doch nur einen kleinen Spaß mit ihnen erlaubt!«
    »Das war nicht lustig«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Und das wirst du nie wieder tun, mit keinem Mann.«
    Dann nahm er ihre Hand und zog sie so dicht an sich, dass er ihr direkt in die Augen sehen konnte. »Steig in den Wagen. Es ist mir egal, ob uns heute jemand sieht. Ich will dich. Jetzt. Ich habe alles, was du jemals brauchen wirst.«
    Und obwohl sie auch schon zuvor Leidenschaft für Orhan empfunden hatte, war die Lust dieses Mal so überwältigend, dass sie jeden Gedanken an Mehmet Süleyman auslöschte.
13
    »Es war mit Sicherheit Selbstmord.«
    İkmen schaute seinem alten Freund forschend in die Augen – nicht, weil er ihm nicht glaubte, sondern weil er sich vergewissern wollte, dass Arto selbst keinerlei Zweifel an dieser Feststellung hegte.
    »Und das nicht nur wegen des Briefs, den er hinterlassen hat«, fuhr Arto fort. »Alles an der Szenerie, nicht zuletzt die Tatsache, dass es nur einen Zugang zu dem Zimmer gibt, sagt mir, dass es sich nur um Selbstmord handeln kann.«
    Mehmet Süleyman seufzte. Er war bei dieser Besprechung am frühen Morgen anwesend, weil er am Abend zuvor Şekers Leichnam in dessen Büro gefunden hatte.
    »Aber wenn er, wie es in dem Brief steht, Hatice İpek getötet hat«, begann er, »dann …«
    »Genau genommen ist das Mädchen keines gewaltsamen Todes gestorben«, warf İkmen schnell ein. »Sie starb während oder kurz nachdem mehrere Männer Geschlechtsverkehr mit ihr hatten.«
    »Eine ihrer Herzkammern setzte sich zu. Ihr Tod hat eine vollkommen natürliche Ursache«, ergänzte Arto.
    »Was bedeutet, dass Şeker gelogen hat, als er in dem Brief die Verantwortung für ihren Tod übernahm«, sagte İkmen.
    »Oder dass er sich einfach dafür verantwortlich fühlte, weil er einer der Männer war, die sie vergewaltigt haben«, meinte Arto. »Oder hat man ihm jemals mitgeteilt, dass sie eines natürlichen Todes gestorben ist?«
    İkmen zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich habe es natürlich meiner Tochter und der Mutter des Mädchens erzählt, aber wenn keine von beiden mit ihm gesprochen hat …«
    »Zu seinen Lebzeiten haben wir nie eine Samenprobe von ihm bekommen, oder?«, sagte Arto. »Vielleicht hatte er letzten Endes doch zu viel Angst davor. Aber das lässt sich feststellen.«
    Danach verfielen sie in Schweigen – der Arzt, die beiden Inspektoren und der junge Wachtmeister Yıldız, der nach Süleyman am Tatort eingetroffen war und diesem assistiert hatte. Vor allem İkmen machte sich Sorgen. Da Şeker in dem Brief die Verantwortung für Hatices Tod übernommen hatte, war nun auch die letzte Chance vertan, dass Ardiç ihm erlauben würde, weiter in dem Fall zu ermitteln. Und dennoch blieben seine Zweifel bestehen – nicht nur, weil Hassan Şeker trotz all seiner Fehler kein brutaler Mann gewesen zu sein schien, sondern vor allem, weil er kein Motiv für eine solche Tat gehabt hätte. Außerdem gab es mehr als einen Zeugen, der ihn an dem fraglichen Abend hatte nach Hause gehen sehen, nachdem Hatice die Pastahane bereits verlassen hatte.
    »Natürlich könnte es auch noch eine andere Ursache für seinen Tod geben«, sagte Yıldız, der bis dahin die ganze Zeit schweigend in der Ecke gesessen und geraucht hatte.
    Die anderen drehten sich zu ihm um.
    »Und an was haben Sie da gedacht, Wachtmeister?«, fragte İkmen skeptisch.
    »Nun ja – anscheinend gab es eine Art Verbindung zu den Müren-Brüdern.«
    »Celal und Ekrem Müren?«
    »Ja.«
    İkmen erbleichte. »Aber sie gehören zu einer der Familien, Yıldız! Was meinen Sie mit ›eine Art Verbindung‹?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, Inspektor«, sagte Yıldız arglos. »Ich weiß nur, dass ich bei unserem zweiten Besuch in der Pastahane gesehen habe, wie die Mürens und irgendein anderer Mann mit Frau Şeker sprachen, und

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