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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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zu haben.«
    »Ja.« İkmen nickte. »Und ist es nicht traurig, dass ich trotz meiner berühmten Mutter immer noch ein armer Mann bin? Doch bei allem Respekt gegenüber meiner Mutter: Ich glaube einfach nicht, dass Ihre Brüder sich in Luft aufgelöst haben.«
    »Ach nein?«
    »Nein. Ich glaube, sie haben das Haus auf einem Weg verlassen, den wir noch nicht kennen. Und außerdem glaube ich«, er machte eine Pause, um sich eine Zigarette anzuzünden, »dass Sie mehr über die Hintergründe ihres Verschwindens wissen, als Sie uns erzählen.«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    İkmen gab Çöktin mit einem Blick zu verstehen, dass er sie eine Weile allein lassen sollte. Als der Kurde die Tür hinter sich geschlossen hatte, meinte İkmen: »Ihre Schwägerin ist nicht ohne Grund entführt und ermordet worden. Die Tatsache, dass ihr Kopf plötzlich hier auftaucht, deutet darauf hin, dass irgendjemand Ihrem Bruder Hikmet eine Nachricht zukommen lassen wollte – eine Drohung oder Warnung.«
    »Ein Amerikaner«, sagte Hale entschlossen und presste angewidert die Lippen zusammen.
    »Möglicherweise.«
    »Ich weiß nichts über Hikmets Leben in Amerika.«
    »Ach ja? Als ich letztens hier war, schienen Sie eine ganze Menge darüber zu wissen, zum Beispiel, dass er sich mit Frau en rumtreibt und für Juden arbeitet.« Hale Sivas wandte den Blick ab, und İkmen wechselte das Thema. »Aber über das Leben Ihres Bruders Vedat wissen Sie doch sicherlich etwas, oder?«
    Sie zuckte die Achseln. »Vedat arbeitet in verschiedenen Hotels und Palästen. Wir wohnen hier zusammen.«
    »Und zwar ausgesprochen komfortabel.« İkmen sah sich anerkennend in dem großen, geschmackvoll eingerichteten Salon um.
    »Wir sind eine Familie. Ich habe nie geheiratet. Hikmet liebt uns.«
    »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte İkmen lächelnd. »Deswegen erscheint es mir auch ein wenig merkwürdig, dass Vedat noch immer das Leben eines armen Mannes führt.«
    »Das tut er nicht«, fuhr sie ihn an.
    »Ich meine damit, dass er verwitwet ist, aber nicht wieder geheiratet hat und einen einfachen Beruf ausübt.«
    »Das war sein Wunsch.«
    İkmen schnippte die Asche von seiner Zigarette in einen Aschenbecher aus massivem Gold. »Ja. Aber das erklärt natürlich noch nicht, warum Vedat – laut Aussage des Beamten, der als Erster am Tatort der Entführung war – unbedingt verhindern wollte, dass Hikmet sich an einen Polizisten wandte. Wie erklären Sie sich das?«
    Hale Sivas’ Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung, als sie erneut die Achseln zuckte. »Wie jeder andere auch vertraut Vedat der Polizei nicht.«
    »Ach, tatsächlich?« İkmen lächelte. »Wissen Sie, dass ich das von Kriminellen immer wieder zu hören bekomme? Ist das nicht merkwürdig?« Er erhob sich und ging in die Mitte des Raums. »Aber vielleicht liegen Sie bei Vedat ja auch falsch. Schließlich ist er kein Krimineller, oder? Dennoch hatten sowohl Inspektor İskender als auch ich den Eindruck, dass Ihre Brüder nicht die ganze Wahrheit sagten, als wir mit ihnen sprachen.«
    Und dann verließ er ohne ein weiteres Wort den Salon und ging in die große, luftige Eingangshalle. Metin İskender, dessen Augen wegen des Schlafmangels rot unterlaufen waren, lehnte gegen einen Kelim, der an einer der rosafarbenen Wände hing.
    »Ich musste mal einen Moment Pause machen«, sagte er, als İkmen auf ihn zukam. »Ich kann hier nachts nicht schlafen.«
    Aus jedem Teil der Villa drang der Lärm von Leuten zu ihnen, die das Gebäude auf den Kopf stellten.
    »Bisher nichts Ungewöhnliches?«, fragte İkmen und drückte die Zigarette in dem goldenen Aschenbecher aus, den er aus dem Salon mitgenommen hatte.
    »Nein. Aber wir suchen weiter – einige mit mehr Phantasie als andere.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte İkmen.
    »Hikmet Yıldız ist davon überzeugt, dass es irgendwo im Haus einen Geheimgang gibt. Er klopft sämtliche Wände ab.«
    »Vielleicht liegt er damit gar nicht mal so falsch«, meinte İkmen achselzuckend. »Das würde zumindest erklären, wie eine große Kiste plötzlich in einem der oberen Schlafzimmer auftauchen und zwei erwachsene Männer spurlos verschwinden konnten.«
    »Ja, schon. Aber andererseits erkunden wir hier nicht eine der Burgen entlang des Rheins.« İskender wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Sie haben bereits mit Fräulein Sivas gesprochen?«
    İkmen zündete sich eine weitere Zigarette an. »Was das auch immer gebracht

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