Im Gewand der Nacht
zwar in einem … na ja, ernsten Ton. Und Frau Şeker wirkte nicht sehr glücklich:
Bevor sie ihnen antwortete, schaute sie verstohlen rüber zur Bürotür ihres Mannes, als ob sie wollte, dass die drei schnell wieder verschwänden. Herr Şeker saß zu der Zeit im Büro zusammen mit Wachtmeister Tepe.«
»Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt?«, brüllte İkmen. »Wenn die Mürens etwas von Şeker wollten, dann muss Geld im Spiel gewesen sein.«
»Oder Drogen oder Prostitution oder Auftragsmord«, vervollständigte Süleyman die Liste der kriminellen Betätigungsfelder der Müren-Familie.
»Genau«, sagte İkmen und wandte sich wieder an Yıldız.
» Also?«
Der junge Mann schaute zu Boden, bevor er weitersprach.
»Wachtmeister Tepe sagte mir, ich solle das mit den Mürens vergessen, Inspektor.«
Die drei anderen tauschten bedeutungsvolle Blicke, bevor İkmen sich wieder an Yıldız wandte: »Und warum?«
»Er meinte, es sei nicht wichtig«, erwiderte der Wachtmeister.
»Tatsächlich?«
»Ja.«
Doch bevor noch jemand ein weiteres Wort sagen konnte, öffnete sich die Tür zu İkmens Büro, und Orhan Tepe kam hereinspaziert. Obwohl er um die Augen etwas müde wirkte, lächelte er breit. İkmen sah sofort, dass er nicht zu Hause gewesen war, um seine Sachen zu wechseln. Offensichtlich hatte er woanders übernachtet – daher auch das Lächeln auf seinem Gesicht. Doch İkmen würde nicht lange brauchen, ihm die Laune zu verderben.
Er wartete, bis Dr. Sarkissian, Süleyman und Yıldız gegangen waren, bevor er sich Tepe vorknöpfte.
»Warum haben Sie mir nicht erzählt, dass Hassan Şeker Verbindungen zu den Müren-Brüdern hatte?«, fragte er in dem beherrschten Ton, der bei ihm einer Explosion vorausging.
»Weil das nicht stimmt«, erwiderte Tepe noch immer lächelnd. »Wer behauptet …«
»Hikmet Yıldız hat mir gerade erzählt, was während Ihres zweiten Besuchs in der Pastahane geschehen ist, Tepe«, sagte İkmen. »Er hat gesehen, wie die Mürens mit der ängstlich wirkenden Frau Şeker sprachen.«
»Also, ich habe nichts gesehen.«
»Es ist mir egal, was Sie gesehen haben!«, brüllte İkmen. » Als Yıldız Ihnen von den Müren-Brüdern berichtete, hätten bei Ihnen alle Alarmglocken läuten müssen!«
»Ich …«
»Welcher Teufel hat Sie geritten, Yıldız zu erzählen, es sei unwichtig, dass die Mürens in der Pastahane waren? Mitglieder dieser Familien sind immer wichtig! Wenn Sie Ihrer Arbeit genauso viel Aufmerksamkeit schenken würden wie Ihrem Liebesleben …«
»Inspektor!«
»Jetzt stellen Sie sich bloß nicht so an!«, knurrte İkmen.
» Übrigens …«
In diesem Moment wurde er vom Klingeln des Telefons unterbrochen. İkmen bedeutete Tepe, er solle sich hinsetzen.
»Sie gehen nirgendwohin. Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.«
Dann nahm er den Hörer ab. »İkmen.«
»Hier ist İskender.« Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang nervös.
İkmen hatte seinen missbilligenden Blick noch immer auf Tepe geheftet. »Ja, was ist?«, fragte er in den Hörer.
»Vedat Sivas ist verschwunden.«
İkmen ließ sich auf seinen Stuhl sinken; sein Gesicht war kreidebleich. »Sagen Sie mir, dass das ein Scherz ist, İskender«, flüsterte er.
»Nein, leider nicht. Ich wünschte, es wäre so. Männer, die einfach spurlos verschwinden, grässliche Kisten, die aus dem Nichts auftauchen – gottverdammte Scheiße, ich werd noch wahnsinnig …«
»Hören Sie, İskender. Reißen Sie sich zusammen, bis ich da bin«, sagte İkmen. Die für den jungen Kollegen ungewöhnlich derbe Ausdrucksweise und die Nervosität in seiner Stimme alarmierten İkmen; er musste so schnell wie möglich zum Haus der Familie Sivas fahren. »Weiß Ardiç schon davon?«
»Nein.« İskender seufzte. »Er war bis nach Mitternacht hier. Ich nehme nicht an, dass er jetzt schon in seinem Büro ist, oder?«
»Nein, noch nicht«, sagte İkmen und warf einen Blick zur Tür, für den Fall, dass sein Vorgesetzter gerade vorbeiginge.
»Ich vermute, Fräulein Sivas ist bei Ihnen?«
»Ja. Die habe ich bis jetzt noch nicht verloren«, erwiderte İskender müde.
»Na, dann halten Sie sie wenigstens so lange fest, bis ich da bin.« İkmen nahm sein Jackett von der Stuhllehne und schob eine Hand in den Ärmel. »Sie geht nicht mal alleine aufs Klo! Haben Sie mich verstanden?«
»Ja.«
»Ich mache mich sofort auf den Weg.« İkmen legte ohne ein weiteres Wort auf und warf Tepe die Autoschlüssel zu. Nach all den
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