Im Glanz Der Sonne Zaurak
Schreibtisch, zwei moderne, den Körperformen nachgebende Schaumstoffsessel flankieren ein abgeschabtes Ledersofa unbestimmbaren Alters, das Bücherregal scheint eher aus einer Lagerhalle zu stammen und paßt überhaupt nicht zu dem großen, beinahe über die gesamte Wand reichenden Bildschirm der Kommandoanlage, mit deren Hilfe der Kapitän aus seiner Kajüte jede beliebige Raumschiffsektion unter Kontrolle hat.
Man spürt die strenge Selbstdisziplin des Bewohners der Kabine an dem straffgespannten Leinen der Bettwäsche, den exakt ausgerichteten Schreibutensilien auf der blank polierten Schreibtischplatte, dem streng geometrisch angeordneten Mobiliar. Das einzige, was nicht in dieses Bild der Genauigkeit und Ordnung paßt, ist der kleine Zettel auf dem Schreibtisch. Er wurde anscheinend ärgerlich zusammengeknüllt und auf das Möbel geworfen.
Kapitän Arnold geht unruhig auf und ab. Vier Schritte hin, vier zurück. Das rechte Bein zieht er leicht nach, und wenn er sich am Ende einer Etappe seiner Wanderung auf dem linken Bein um seine Achse dreht, etwas schwerfällig und ruckartig, schwingt das andere wie das Pendel eines Fliehkraftreglers nach hinten aus. Bei diesem Manöver scheint er Schwierigke i ten zu haben, seinen massigen Körper im Gleichgewicht zu halten. Die fettigen schwarzen Strähnen seines dicken Haa r schopfes fallen ihm in die höckrige Stirn, und er streicht sie mit einer heftigen Geste seiner fleischigen Hand nach hinten. Sein ebenso fleischiges Gesicht, das auf einem ausgeprägten Doppelkinn ruht, trägt den Ausdruck eines chronisch Leide n den. Der Schmerz hat tiefe Falten um seine Mundwinkel gefurcht, die, wie mit einer Pflugschar gezogen, von den Nasenflügeln abwärts verlaufen und auch für den leisesten Anflug eines Lächelns zwei unüberwindbare Barrieren bilden. Er hält sich aufrecht wie ein Stock, nur sein Blick ist auf den Boden vor seinen Füßen geheftet.
Noch einmal greift Kapitän Arnold nach dem Zettel, streicht ihn glatt und überfliegt dessen schnell hingekritzelten Inhalt.
„Lieber Remgar,
zu den von der Kadettenschule gestellten neuen Man n schaftsmitgliedern gehört auch der Sohn unseres ehemaligen Kameraden Anatol Malden. Nimm ihn hart ran! Tu alles, daß er nicht wird wie sein Vater! Aber bedenke bitte, daß er sich seinen Erzeuger nicht aussuchen konnte, und laß die alten Geschichten ruhen! Der Junge hat das Zeug zu einem tüchtigen Raumflieger. In Deine Hand ist gegeben, was uns nicht gelungen ist: aus dem Rohdiamanten einen Edelstein zu schleifen.
Dein Germalot Tolder“
Kapitän Arnold stößt einen bitteren Fluch aus. Soll er nie Ruhe finden? Muß ihn der Name Malden verfolgen wie der Jagdhund das weidwunde Wild? Ausgerechnet Maldens Sohn schicken sie ihm! Einen Jungen, dem die Welt und das Leben offen stehen wie einst vor über zwanzig Jahren auch dem frischgebackenen Navigator Remgar Arnold – bis dessen Hoffnungen und Erwartungen durch einen von anderen verschuldeten Unfall ein jähes Ende gesetzt wurde. Arnold hinkt zu einem kleinen Ladegerät für die leistungsfähigen Isotope n batterien, die die Energie für die biomechanischen Muskeln seiner Beinprothese liefern, und entnimmt ihm zwei flache Zellen. Beinahe hätte er vergessen, die Batterien zu wechseln. Erst vor kurzem hatte er deswegen einen bösen Sturz.
Er hat sich in den zwanzig Jahren so an die Unzulänglichkeit seines künstlichen Beines gewöhnt, daß er die nachlassende Kraft der synthetischen Muskeln und Gelenke – das Alarmsi g nal für die Erschöpfung der elektrischen Energie – nicht mehr bewußt wahrnimmt. Eine innere Uhr warnt ihn für gewöhnlich, aber in letzter Zeit haben die peinigenden Gedanken deren Schlag zu oft überlagert. Mit einem Ächzen läßt er sich in die tiefen Polster der schäbigen Ledercouch fallen und hebt mit beiden Händen das künstliche Bein auf das Sofa. Dann streift er das Hosenbein bis über den zernarbten Stumpf zurück und löst die Riemen. Der Stumpf schmerzt wieder. Er muß sich von Dr. Pinn ein Medikament geben lassen.
Es ist nicht nötig, das Bein von dem in den Oberschenke l knochen eingelassenen Metallstift zu lösen, um die Zellen auszuwechseln, aber ab und zu muß er sich von diesem fremden, toten Mechanismus aus Plast und Kautschuk befreien, an den er wie ein Sklave an sein Werkzeug geschmiedet ist. Dann atmet er erleichtert auf und lehnt sich zurück.
Behutsam massiert er das verbliebene Stück des zerfetzten Oberschenkels, und das
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