Im Glanz Der Sonne Zaurak
durch die Riemen in seiner Zirkulation gehemmte Blut pulst wie ein heißer Strom durch sein Bein. Ja, in diesen wenigen Augenblicken gaukelt sein Gehirn ihm vor, er besäße noch zwei intakte gesunde Beine. Arnold weiß um diese Täuschung und läßt sich durch sie nicht mehr verwirren. Bitter steigt ihm der Gedanke auf, daß es gar nicht abwegig ist, von zwei gesunden Gliedmaßen zu träumen.
Aber die Zentralklinik für Raumfahrer, in der bereits erfol g reiche Substitutionszüchtungen aus dem Erbmaterial von Körperzellen praktiziert werden, hat noch zuwenig Spezialbe t ten. Wäre er ein berühmter Flottenkapitän vom Schlag eines Anatol Malden, ja dann… So darf er nur davon träumen, in einem der Betten zu liegen, angeschlossen an einen komplizie r ten Apparat, dessen Elektronengehirn über rund drei Jahre das Wachstum seines neuen Beines steuern und überwachen würde. Zur Zeit sind lediglich zwei der nur fünf Substitution s betten belegt. Arnold weiß das sehr genau. Doch er weiß ebenso gut, daß die übrigen drei Plätze für in Lebensgefahr schwebende Patienten frei gehalten werden.
Vielleicht einmal in zehn, fünfzehn Jahren, wenn es genug qualifizierte Wissenschaftler gibt und ausreichend Apparaturen zur Verfügung stehen…
Dann aber ist er ein alter Mann. Er muß sich damit abfinden. Einem Invaliden konnte man natürlich nicht das Kommando einer Raumflotte übertragen. Selbst die Übergabe des Ko m mandos über einen der modernen Erkundungskreuzer der Kategorien I bis V ist zu riskant. Tauglichkeitsstufe 6. Das hätte beinahe lebenslänglichen Dienst in Kurier-oder Patroui l le n schiffen bedeutet. Mit seinem eisernen Willen hat er sich bis zum Kapitän hochgearbeitet, trotz des gesundheitlichen Handikaps. Aber die Leviathan – ein Erkunder der Kategorie VIII – ist die Endstation für Kapitän Arnold. Endgültig. Wen wundert es, daß nach jedem Flug mindestens die Hälfte der Besatzung wieder abmustert? Arnold wundert es nicht. Er weiß, daß es nicht nur der altmodische, schrottreife Kasten ist, was die jungen Raumflieger dazu bewegt, ihm den Rücken zu kehren. Er ist als grob und gnadenlos verschrien. Die Leute gehen ihm, wo sie nur können, aus dem Weg. Das kümmert ihn nicht, Hauptsache, sie parieren! Er braucht keine Freundschaft und erst recht kein Mitleid!
Arnold fürchtet sich vor dem Augenblick, in dem er den jungen Offiziersanwärtern gegenüberstehen wird. Schon der Befehl, mit den Absolventen der Kadettenschule zum nächsten Einsatzort zu fliegen, hat die alten Wunden wieder aufbrechen lassen. Daß es nicht die Besten sind, die man ihm schickt, stört ihn weniger – er weiß, wie man mit solch einer Mannschaft umgehen muß. Das ist er gewöhnt. Aber daß es sich ausnahm s los um blutjunge, gerade erst flügge gewordene Kadetten handelt, um eine Horde naseweiser, quicklebendiger Jünglinge, um vor Gesundheit strotzende, hoffnungsvoll in die Zukunft schauende Burschen – das kann er nur schwer verkraften, das bohrt und frißt in ihm.
Haßerfüllt betrachtet Arnold den raffiniert ausgeklügelten und doch so unvollkommenen Mechanismus des künstlichen Beins. Pinn hat ihm einmal vorwurfsvoll sein Psychogramm unter die Nase gehalten und ihm schonungslos klargemacht, daß es nicht der Schmerz über den körperlichen Schaden ist, was ihn von innen her auffrißt, sondern die Wollust, mit der er in seinem Leid schwelgt. Ach ja, der alte Dr. Pinn. Um den muß er sich ja auch noch kümmern.
Der Kapitän befestigt die Prothese an seinem Beinstumpf und erhebt sich schwerfällig. Pinn darf sich solche Bemerku n gen erlauben, aber kein anderer! Pinn hat damals auch recht gehabt, aber da zählte sein Wort nicht. Schwamm drüber. Das ist vorbei.
Arnold muß die Kabine des Bordarztes anordnungsgemäß nach Alkohol durchsuchen, seit bekannt geworden ist, daß Dr. Pinn auch während eines Fluges getrunken hat. Er wird nichts finden, daß weiß er bereits jetzt. Wenn es dem gerissenen Arzt gelingt, Schnaps kistenweise durch die strenge Zollkontrolle zu schmuggeln, dann findet er mit Leichtigkeit ein Versteck in dem riesigen Raumschiff.
Der Kapitän hat auch nicht vor, etwas zu finden. Das ist er Dr. Pinn schuldig. Selbst wenn er dessen geheimes Depot aufst ö bern würde – dann müßte er den Fund pflichtgemäß melden und würde es auch tun –, hätte das für Pinn, der sich sein Elixier ohne weiteres in seinem geräumigen Labor destillieren kann, keine nachteiligen Folgen. Dieser Verstoß wird
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