Im Glanz Der Sonne Zaurak
Leander. Das kann nur ein einziger Mensch auf der ganzen Welt.“
„Mir braucht niemand zu helfen!“ antwortet Leander barsch. Die Neugier aber ist stärker als sein Starrsinn. „Wer soll dieser Wundertäter denn sein, lieber Doktor Allwissend?“ fragt er ironisch.
Viktor lächelt vergnügt und spitzbübisch. Er läßt sich Zeit mit der Antwort.
„Na los, sag schon!“ drängt Leander.
„Weißt du es wirklich nicht?“
„Nein, verdammt noch mal, weil mich das nie interessiert hat!“ sagt Leander ungehalten.
„Du.“ Viktor lächelt.
Fassungslos sieht ihn Leander mit den Augen eines Torwarts an, der soeben den Ball durch die Beine rutschen ließ. „Quatsch!“ antwortet er überzeugt. Doch seine Augen glänzen im Widerschein des Zweifels. „Quatsch“, sagt er noch einmal, schon unsicherer.
„Wenn du versuchst, andere zu begreifen, wirst du eines Tages auch dich selbst erkennen“, zitiert Viktor.
„Jetzt komm mir nicht wieder mit diesem Ekel Ponape!“ fährt Leander auf.
„Schade, bei ihm solltest du anfangen…“
Mit einem bösen Knurren beendet Leander das Gespräch. Doch am nächsten Tag zieht es ihn während seiner Freiwache unwiderstehlich in die Kombüse. Sargon, der sich bei Viktor eine Büchse Würstchen erbettelt hat, verschwindet schweigend. Nach einer Weile fährt Leander den Koch ärgerlich an: „Weißt du, deine Friedfertigkeit geht mir langsam auf die Nerven! Warum streitest du dich eigentlich nicht mit mir, wenn du anderer Meinung bist?“
Freundlich antwortet Viktor: „Was willst du, ich widerspr e che dir doch laufend.“
„Ja, verflucht noch mal, aber du streitest nicht! Du verkü n dest deine Weisheiten mit der steifen Würde eines indischen Gurus, ohne auch nur einmal die Stimme anzuheben!“
„Wenn ich dir damit einen Gefallen tue, dann kann ich ja auch mal brüllen“, antwortet Viktor hilflos. Und plötzlich schreit er Leander an: „Du Streithammel!“ Seine Augen blitzen fröhlich.
Leander ist sprachlos. Doch dann brüllt er in einem erleic h ternden Lachen los, in das Viktor mit seiner meckernden Stimme einfällt.
Später wundert sich Leander. So unbeschwert und fröhlich wie in dieser Minute hat er sich noch nie gefühlt. Wie soll er auch ahnen, daß in diesem Augenblick eine merkwürdige, tiefe Freundschaft ihren zögernden Anfang nimmt…
In den nächsten Wochen geht eine unverständliche Änderung in Marius Askarts Verhalten vor sich. Nur sehr aufmerksame Beobachter nehmen sie wahr. Zuerst spürt es Osmar. Sein analytischer Verstand signalisiert ihm jede geringfügige Veränderung in dem ihn umgebenden Milieu. Erstaunlich ist, daß er Askarts Wandel eher bemerkt als der davon Betroffene.
Kaum spürbar für die anderen, beginnt Askart damit, einen der Kadetten kühler und frostiger zu behandeln. Braucht er das für sein seelisches Gleichgewicht? fragt sich Osmar erstaunt. Daran, daß der freundliche und sehr mitteilsame Chefnavigator Leander Malden offensichtlich vorzieht, hat man sich an Bord der Leviathan bereits gewöhnt. Daß er jetzt einem anderen mit deutlicher, unverhohlener Antipathie gegenübertritt, kommt unverhofft. Osmar kümmert das nicht weiter, er beobachtet nur.
Viktor Sandies hingegen spürt es erst, als Marius Askarts Verhalten ihm gegenüber in Schikane ausartet. Doch der duldsame Koch erträgt es ohne Widerstand. Auch Leander vertraut er sich nicht an. Der sieht und hört nichts von alldem, obwohl er fast jede Stunde seiner Freizeit nutzt, um mit Viktor zu plaudern oder Schach zu spielen. Viktor ist ein dankbarer Gegner, der sich tapfer verteidigt, aber regelmäßig verliert, obwohl Leander ein miserabler, weil bedenkenlos und unübe r legt angreifenden Spieler ist.
Eines Tages erhält Leander den Auftrag, zusammen mit Osmar Sargon die Katapultanlage für die unbemannten Aufklärersonden zu inspizieren. Sie steigen in die blauschwarz glänzenden Skaphander, in denen sie wie riesige Insekten aussehen, und begeben sich zur Luftschleuse.
Während die Pumpen mit gierigen Schlünden die Luft aus der Kammer saugen, gibt Leander seine Anweisungen. „Du siehst dir den Magnetkissenschlitten an, und ich untersuche die Magnetschienen, dann nehmen wir uns zusammen die Absau g schächte vor. Kann sein, daß wir sie entschlacken müssen.“
„Meinetwegen“, antwortet Osmar gleichmütig. Ihn stört es nicht, daß sich Malden die Befehlsgewalt anmaßt, obwohl Ahab ihnen ausdrücklich gesagt hat, sie sollen gemeinsam entsche i den, wie
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