Im Glanz Der Sonne Zaurak
weil Ihnen jemand den Freund wegnehmen wollte?“
Viktor muß sich zügeln. Erst wollte er antworten: Ja, im Kindergarten. Dann aber überlegt er. Und er stellt erstaunt fest, daß Askart so unrecht nicht hat.
Der Chefnavigator lächelt ihn plötzlich spitzbübisch an und sagt: „Es ist wirklich die Frage, wer von uns beiden schlechter dran ist. Wenn Sie wirkliche Freundschaft, ganz gleich, ob für einen Mann oder für eine Frau, empfinden, müssen Sie immer darauf bedacht sein, Mißverständnisse zu vermeiden. Das gibt es bei uns nicht. Wir sind ehrlicher zueinander. O nein, nein – schauen Sie mich nicht so zweifelnd an! Eifersucht ist auch uns nicht fremd und alles, was damit zwangsläufig auftritt, erst recht nicht. Aber wir unterwerfen uns nicht diesen traditione l len Konventionen, die für Ihre Partnerwahl immer noch besti m mend sind – sie existieren für uns nicht. So ist das. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das überhaupt so profan sagen darf…, bei uns ist das normal, was Sie Vielweiberei nennen wü r den…“
Viktor unterbricht ihn. „Chefnavigator, das sind Probleme, die nicht meine sind. Ich kann mir das nicht vorstellen, besser gesagt, ich kann es nicht nachempfinden…“
„Für uns sind das keine Probleme…“, antwortet Askart. Dann strafft er sich und sagt entschieden: „Gut, Viktor. Ich bin Ihnen dankbar für Ihr Entgegenkommen. Aber bitte betrachten Sie unser Gespräch als vertraulich. Ich bin sicher, das fällt Ihnen nicht schwer.“
Viktor antwortet ernst: „In Ordnung, Chefnavigator. Sie können sich auf mich verlassen.“
Noch lange, nachdem der Chefnavigator das Labor verlassen hat, fällt es Viktor schwer, sich auf seine Untersuchungen zu konzentrieren. Immer wieder schweifen seine Gedanken ab. Er war überzeugt, Askart durchschaut zu haben. Nun muß er sich, wenn er ehrlich ist, Selbstgefälligkeit vorwerfen. Ihm ist völlig klar, daß Askart sich nur zur Hälfte offenbart hat, wenn überhaupt, daß vieles von dem, was der Chefnavigator ihm erzählt hat, viel zu sehr verallgemeinert war, um die Vielfalt der Probleme und Konflikte erahnen zu lassen.
Es bereitet ihm Unbehagen, zu wissen, daß er mit seinen ehrlich gemeinten Verständigungsversuchen auch Gefahr laufen kann, aufdringlich zu werden. Das beunruhigt ihn. Schade, daß er sich nicht mit Leander darüber unterhalten darf. Nie hätte er geglaubt, daß Leanders impulsiv und unbedacht geäußerte Ansichten für ihn so wichtig werden könnten. Doch sie sind es, wenn es ihm auch schwerfällt, sich das einzugest e hen. Er, der sich den bescheidenen Luxus leistet, seine vermeintliche Menschenkenntnis, seine Friedfertigkeit und Gutmütigkeit zum Maßstab für den Sinn seines Lebens zu machen, muß feststellen, daß er Leanders Vitalität nicht nur braucht, sondern daß er danach dürstet. Für ihn ist und bleibt sie ein Traum. Aber Leander läßt ihn erleben, wie es ist, unbändig und empfindlich, wild und angreifbar zugleich zu sein. Ist er nicht selbst beinahe so wie Marius Askart?
Ratternd senkt sich Kolibri 5 und setzt weich in der ersten Etage auf. Erste Etage – so haben die Erkunder die obere Lebensebene des Dritten der Sonne Zaurak getauft. Wenn sie den düsteren Dschungel darunter meinen, sprechen sie nur noch vom Keller. Die Rotorblätter des leichten Universalfah r zeuges wippen noch einigemal auf und nieder, dann falten sie sich zusammen und verschwinden im Rumpf des Kolibris , der sich nun in ein Luftkissenfahrzeug verwandelt hat. Das Gerät ist kaum größer als die zwei Mann Besatzung, die es faßt. Für den unsicheren Untergrund, auf dem es sich bewegt, das ideale Transportmittel!
Bis zur nächsten Arielkolonie sind es noch gute zwei Min u ten Fußweg. Die Erkunder haben herausgefunden, daß sich der Angriff der Ariels, von dem Osmar berichtete, ausschließlich gegen den Gleiter richtete, nicht gegen den darin sitzenden Menschen. Den Menschen gegenüber sind diese Tiere entwaf f nend zutraulich. Ariels hat Gilbert Ekalla die flauschigen Bällchen mit den hohen zirpenden Stimmchen genannt, der einen wahren Narren an den putzigen Gesellen gefressen hat.
Weshalb diese wehrlosen Lebewesen sich todesmutig auf jeden Flugkörper stürzen, der ihnen zu nahe kommt, kann selbst Viktor nicht erklären. Er vermutet, daß einer der natürlichen Feinde der Ariels die Gestalt eines riesigen fliegenden Ung e heuers besitzt. Gesehen haben sie diesen Drachen noch nicht.
Osmar und Algert klettern aus dem Kolibri und
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