Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
Vom Netzwerk:
blutbefleckte Hemd zu erwähnen.
    »Ich habe gestern Abend ein paar Bier getrunken, Cyril«, fügte Charlie hinzu. »Ich weiß, ich sollte keinen Alkohol trinken, aber ich hatte mindestens sechs Halbe. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, konnte ich mich nicht einmal mehr daran erinnern, dass ich den Weg nach Hause gefunden habe.«
    »Nun, das Medikament, das du für deine Epilepsie nimmst, enthält Lysergsäurediethylamid, und das kann in seltenen Fällen Halluzinationen verursachen«, erklärte der Arzt mit ernster Miene.
    »Ich hatte noch nie Halluzinationen, das wüsste ich doch.«
    »Solange du nüchtern bist, ja«, bemerkte der Arzt.
    Charlie senkte beschämt den Kopf.
    »Könnte er unter dem Einfluss des Medikaments und des Alkohols irgendetwas Schreckliches tun?«, fragte Myra. »Irgendetwas, das gar nicht zu ihm passt und an das er sich später nicht mehr erinnern kann?«
    »Ausschließen kann man das nicht«, erwiderte Cyril bedächtig. »Aber wenn er an Halluzinationen litte, könnte er sich auch einbilden, etwas Schreckliches getan zu haben.« Er sah Charlie an. »Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr mich das fragt?«
    Myra und Charlie wechselten einen Blick. »Wir müssen ihm von Girra erzählen«, sagte Myra schließlich. »Wir haben keine andere Wahl, Charlie«, fügte sie hinzu, als er schwieg und ein bestürztes Gesicht machte. »Wenn Girra nicht wieder auftaucht, müssen wir nach ihr suchen.«
    Auf Cyrils Stirn traten Sorgenfalten. »Wovon redet ihr eigentlich?«
    »Girra, eine der jungen Aborigines aus der Gegend hier, wird vermisst. Ihre Eltern waren vorhin da und haben nach ihr gesucht.«
    »Das wusste ich nicht. Ich kenne Girra und die Angiwarras. Aber was hat das alles mit Charlie zu tun?«
    Charlie blickte abermals zu Boden. »Ich habe heute Morgen große Blutflecken auf meinem Hemd entdeckt. Und ich weiß nicht, wie das Blut dahingekommen ist.«
    »Und?«, fragte der Arzt verwirrt.
    »Ich bin heute Nacht von lauten Schreien aufgewacht«, sagte Myra. »Und jetzt machen wir uns Sorgen.«
    »Ich verstehe«, sagte Cyril langsam. Er dachte einen Augenblick nach. »Habt ihr das Hemd schon gewaschen?«
    »Was hast du vor?«, fragte Myra.
    »Ich muss nachher nach Broken Hill; ich würde das Hemd gern mitnehmen und das Blut untersuchen lassen«, antwortete Cyril.
    »Wozu das denn?«, wunderte sich Charlie.
    »Zur Bestimmung der Blutgruppe. Du hast Null negativ, eine sehr seltene Blutgruppe. Falls das Blut auf deinem Hemd auch Null negativ ist, steht mit großer Sicherheit fest, dass es von dir stammt. Das würde bedeuten, du hast niemandem etwas zuleide getan.«
    Charlie blickte ganz verwirrt drein. »Aber ich spende zweimal im Jahr beim Roten Kreuz in Broken Hill Blut, und die haben mir gesagt, das Krankenhaus sei sehr dankbar dafür. Wenn meine Blutgruppe so selten ist, können sie mit meinem Blut doch nicht viel anfangen, oder?«
    »Menschen mit Null negativ eignen sich als Spender für jede beliebige Blutgruppe, dürfen aber selbst keine andere Blutgruppe als ihre eigene bekommen.«
    »Aber falls das Blut sein eigenes ist, wie ist es dann dahingekommen?«, fragte Myra. »Er sagt, er habe keine Schnittverletzungen oder andere Wunden.«
    Charlie nickte zustimmend.
    »Das weiß ich auch nicht. Klären wir erst einmal ab, ob es sich um Charlies Blut handelt oder nicht«, meinte der Arzt.
    Charlie war gar nicht wohl in seiner Haut. Er hatte das dumpfe Gefühl, etwas Furchtbares getan zu haben. Wahrscheinlich, dachte er, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich verhaftet werde.
    Wie an den meisten Tagen schloss Ruby ihren Laden über Mittag zu und ging zum Mittagessen zu Myra, die Eier auf Toast und gedünstete Tomaten vorbereitet hatte.
    »Hast du es schon gehört? Girra ist verschwunden«, sagte Myra.
    »Das ist aber komisch.« Ruby schüttelte den Kopf. »Glaubst du, wir müssen uns Sorgen machen? Ich meine, sie ist doch immer viel unterwegs gewesen – und meistens allein. Das ist eigentlich nicht ungewöhnlich.«
    »Ich weiß nicht«, murmelte Myra. Sie sagte absichtlich nichts von dem Blut auf Charlies Hemd, weil sie erst abwarten wollte, was Cyril Blake herausfand.
    Plötzlich klopfte jemand heftig an die Hintertür.
    Myra sprang auf und öffnete. Vor ihr stand Jinny mit ihren beiden Jüngsten. Alle drei waren ganz außer Atem. Myra musterte die drei verdutzt. Jinny gleich zweimal an einem Tag zu sehen war mehr als ungewöhnlich. Sonst begegnete sie ihr vielleicht einmal im Monat.
    Girras

Weitere Kostenlose Bücher