Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
Vom Netzwerk:
zurückzukehren, war reichlich kühn, wie sie jetzt erkennen musste.
    Kurz nach der planmäßigen Ankunftszeit fuhr der Zug in die Sulphide Street Station in Broken Hill ein. Unmittelbar neben dem Bahnhof ragte ein gigantischer Steinblock auf. Das seien Erzabfälle, die beim Abbau des Silbererzes angefallen seien, erklärte Mr. Finke auf Rubys Frage.
    »Und ich dachte schon, ich wäre versehentlich in Alice Springs gelandet und das da sei Ayers Rock«, witzelte sie. Sie kannte die Stadt und den Sandsteinberg nur von Fotos und wusste nicht, dass Ayers Rock ziemlich weit von Alice Springs entfernt lag.
    Mr. Finke lachte und ging dann zum Gepäckwagen, wo er das Ausladen des Gepäcks überwachte.
    Ruby, die sich neugierig umschaute, sah, wie ein Kamel aus einem der Güterwaggons geführt wurde. Es war ein wunderschönes Tier. Sie trat näher und berührte sein weiches Fell; sie konnte einfach nicht anders. Der Lademeister, der seine Unterlagen studierte, bemerkte die junge Frau nicht.
    Mr. Finke kam zurück und fragte: »Wer holt denn das Kamel hier ab, Dennis?«
    Dennis Ferguson blickte auf. »Bernie Lewis. Wieso fragst du?«
    »Sie haben Glück, Miss Rosewell«, meinte Mr. Finke.
    Ruby sah den Schaffner fragend an. »So?«
    »Ja, Bernie Lewis besitzt eine Kamelfarm außerhalb von Silverton. Er wird Sie bestimmt mitnehmen. Ich werde gleich mal sehen, ob ich ihn irgendwo auftreiben kann.«
    Der Lademeister musterte Ruby jetzt. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Nigel. Du kennst Bernie doch. Der hat bestimmt den halben Nachmittag im Musicians Club gehockt und sich einen hinter die Binde gegossen. Die Chancen, dass das Kamel heil auf der Farm ankommt, stehen schlecht, fürchte ich. Und die Chancen dieser jungen Dame hier, heil in Silverton anzukommen, sind nicht viel besser.«
    Nigel Finke runzelte die Stirn. »Du hast Recht. Ich werde erst mal nachsehen, ob er überhaupt ansprechbar ist.« Er eilte davon.
    Der Lademeister sah besorgt aus. »Lassen Sie sich bloß nichts von Bernie gefallen, wenn er Sie mitnimmt«, schärfte er ihr ein.
    Wäre Ruby seine Tochter, würde er sie niemals auch nur in die Nähe von Bernie Lewis lassen.
    Als Nigel Finke zwanzig Minuten später zurückkam, befand er sich in Begleitung eines stämmigen Mannes mit einem zerklüfteten Gesicht, einer roten Nase, abstehenden Ohren und O-Beinen. Was Ruby aber zuerst auffiel, war sein Haar – es hatte sich oben schon ziemlich gelichtet, aber im Nacken hingen ein paar strähnige Zotteln herunter. Außerdem war er unrasiert, seine Kleidung war schmuddelig, und als er näher kam, stellte Ruby fest, dass er strenger als das Kamel roch. Sie versuchte, das Alter des Mannes zu schätzen, was nicht leicht war. Er hatte etwas an sich, das ihr nicht ganz geheuer war. Wäre es nicht so schnell dunkel geworden und hätte Ruby nicht befürchten müssen, in Broken Hill festzusitzen, hätte sie sich geweigert, zu ihm ins Auto zu steigen. Aber in ihrer Situation konnte sie es sich nicht leisten, wählerisch zu sein.
    Mr. Finke machte Ruby und Bernie Lewis miteinander bekannt.
    »Mein lieber Schieber!« Bernie musterte sie ungeniert von Kopf bis Fuß. Er grinste breit, und man konnte seine schlechten Zähne sehen. Anzüglich starrte er auf ihre langen, wohlgeformten Beine unter dem kurzen Kleid. »Für Sie hat es sich echt gelohnt, die Bar zu verlassen.«
    Ruby lief rot an und wusste ausnahmsweise nicht, was sie sagen sollte.
    »Ich hab gehört, Sie suchen eine Mitfahrgelegenheit in die Pampa«, fügte er hinzu.
    »Oh … äh … das muss ein Missverständnis sein. Ich will nach Silverton«, erwiderte Ruby ernsthaft.
    Bernie lachte schallend. »Sie haben Humor, das gefällt mir.«
    Sie lächelte verwirrt. »Nun, wenn Sie sowieso durch Silverton kommen und es Ihnen nicht allzu viele Umstände macht, wäre es nett, wenn Sie mich mitnehmen würden, Mr. Lewis.«
    »Wenn Sie mit mir fahren wollen, müssen Sie aber aufhören, mich Mr. Lewis zu nennen«, erwiderte er. »Meine Farm liegt nur einen Steinwurf von Silverton entfernt, das ist also überhaupt kein Problem. Steigen Sie schon mal ein, der Dodge da drüben ist meiner. Ich muss noch das Kamel in den Hänger laden.« Er trat auf das knurrende Tier zu und betrachtete es prüfend, mit Kennerblick, vom Schwanz bis zum Kopf.
    »Einen Moment mal, Bernie«, sagte Dennis Ferguson. »Ich glaube, wir sollten uns erst einmal darüber unterhalten, wie viel du getrunken hast, bevor wir dir diese junge Dame

Weitere Kostenlose Bücher