Im Hauch des Abendwindes
Essen ein wenig hin. Ruby erledigte den Abwasch und setzte sich dann ans Telefon, um Jed Monroe anzurufen. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich eine Männerstimme.
»Silverton Hotel, guten Tag?«
Ruby konnte kaum etwas verstehen, so groß war die Geräuschkulisse aus Stimmen, Musik und dem Klirren von Gläsern im Hintergrund.
Ein wenig verwirrt, weil sie mit einem Gasthaus verbunden war, rief sie in den Hörer: »Hallo? Ich weiß nicht, ob ich die richtige Nummer habe. Ich wollte eigentlich Jed Monroe sprechen. Wer ist denn da?«
»Mick Doherty. Und wer sind Sie?«, lautete die schroffe Antwort. Ein leichter irischer Akzent färbte seinen australischen Dialekt.
»Mein Name ist Ruby Rosewell.« Ein Knistern in der Leitung. »Hallo? Man hat mir diese Nummer gegeben; ich würde gern mit Jed Monroe sprechen.«
»Der ist nicht da, Schätzchen. Versuchen Sie’s ein andermal.«
»Warten Sie!«, rief sie hastig. »Das ist die Nummer eines Hotels, sagen Sie?«
»Ganz recht. In Silverton, Schätzchen.«
»Wo ist das denn?«, fragte sie laut, um den Lärm zu übertönen.
Der Mann antwortete mit einer Gegenfrage: »Was wollen Sie denn von Jed?« Ein misstrauischer Unterton schwang in seiner Stimme.
»Ich glaube zwar nicht, dass Sie das etwas angeht, aber wenn Sie’s unbedingt wissen wollen – Mr. Monroe und ich sind Partner bei einer Pferdeteilhaberschaft«, sagte Ruby so geschäftsmäßig wie möglich. Sie hoffte, endlich ernst genommen zu werden.
Zu ihrer Empörung lachte Mick Doherty laut heraus. »Der war gut, Schätzchen!«
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich nicht andauernd Schätzchen nennen würden«, fauchte Ruby. »Ist Mr. Monroe da oder nicht? Ich muss ihn unbedingt sprechen, es ist dringend.«
»Einen Augenblick, Schätzchen.«
Wütend, schärfer dieses Mal, protestierte sie aufs Neue, doch Mick hatte sich bereits abgewandt und hörte es nicht.
»Hat heute schon jemand Jed gesehen?«, rief er halbherzig in den Saal. Lautes Gejohle und Gegröle war die Antwort. Es schien hoch herzugehen in diesem Pub, der sicherlich in einer größeren Stadt lag. Nach ein paar Sekunden meinte Ruby zu hören, wie jemand rief, Jed sei gerade hereingekommen.
»Jed, Telefon für dich!«, schrie Mick Doherty.
»Wer ist es denn?«, fragte eine tiefe Stimme. »Ich hab dir doch gesagt, ich bin nicht da, falls jemand anruft.«
Ruby seufzte. Ihr Teilhaber schien ja ein zwielichtiger Typ zu sein. Weshalb sonst würde er sich am Telefon verleugnen lassen?
Zu ihrem Ärger hörte sie, wie Mick Doherty sie nachäffend rief: »Sie sagt, ihr wärt Partner bei einer Pferdeteilhaberschaft.« Wieder lachte er. »Deine Weiber haben wirklich Fantasie, das muss man ihnen lassen.«
»Ist ja gut, Mann«, knurrte Jed.
»Hey, Monroe, hast du einem deiner Mädchen etwa ein Kind gemacht?«, schrie jemand.
Schmieriges, anzügliches Gelächter folgte. Ruby verdrehte genervt die Augen. Dann hörte sie Geflüster und Geraschel. Sie hoffte inständig, dass nicht einfach aufgelegt wurde.
»Hallo? Ist da jemand?«
»Hallo?«, antwortete eine mürrische Männerstimme. »Wer ist denn da?«
»Oh, hallo. Spreche ich mit Jed Monroe?«
»Kommt drauf an. Wer will das wissen?«
Seine Reaktion bestätigte sie in ihrer Vermutung. Jed Monroe war ein reichlich undurchsichtiger Typ. Sie würde heilfroh sein, wenn er ihr ihren Anteil abkaufte und sie nichts mehr mit ihm zu tun hätte.
»Mein Name ist Ruby Rosewell. Mir gehört ein Teil von Silver Flake, und der andere Teil gehört Ihnen, soviel ich weiß.« Sie holte tief Luft. »Ach, übrigens, welcher Teil ist denn meiner – der vordere oder der hintere?«, scherzte sie dann. Der Mann sagte nichts. Humor hatte er offenbar auch nicht. »Hallo? Sind Sie noch da?«
»Hören Sie, Lady, ich hab keinen blassen Schimmer, wovon Sie reden. Sie verschwenden nur meine Zeit – und Ihre auch.«
»Lassen Sie es mich Ihnen erklären, Mr. Monroe. Mein Vater ist gestorben, und er hat mir einen Anteil an einem Pferd namens Silver Flake vermacht. Man hat mir gesagt, der andere Teilhaber seien Sie. Das ist doch richtig, oder?«
»Mir scheint, Sie haben sich verwählt, Lady«, sagte Jed und legte auf.
»Halt, nicht! Warten Sie! Hallo? Hallo?« Ruby starrte den Telefonhörer an. »Ich glaub’s einfach nicht! So eine Frechheit!«
»Was ist denn?«, rief Emily aus dem Schlafzimmer.
Ruby stapfte wütend zu ihr. »Ich hab diesen Jed Monroe angerufen, und als ich ihm sagte, ich habe einen Anteil an
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