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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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grunzte nur. Als er seine Zigarettenasche aus dem Fenster schnippen wollte, wurde die glühende Spitze vom Fahrtwind hereingeweht. Er fluchte so unflätig, dass Ruby regelrecht schockiert war. Aber Bernie dachte gar nicht daran, sich zu entschuldigen. Ruby wandte sich ab und starrte aus dem Fenster. Sie hoffte inständig, dass sie bald am Ziel war.
    Innerhalb kürzester Zeit war es Nacht geworden. Unzählige Sterne funkelten am samtschwarzen Himmel. Mit der Dunkelheit kam die ersehnte Abkühlung. Als Ruby das Fenster herunterdrehen wollte, um frische Luft hereinzulassen, hatte sie plötzlich die Kurbel in der Hand.
    »Oh, das tut mir aber leid«, murmelte sie verlegen.
    »Kein Problem, stecken Sie das verdammte Ding einfach wieder rein«, meinte Bernie lässig und zündete sich seine Zigarette zum zweiten Mal an.
    Als Ruby die Kurbel wieder in die Halterung steckte, schoss das Fenster ganz von allein nach unten. Diesmal sagte sie nichts. »Es ist nicht sehr weit bis nach Silverton, oder?« Sie fühlte sich auf einmal verwundbar.
    Wieder grunzte Bernie nur.
    Ruby machte die Stille ganz nervös. »Man sieht nicht jeden Tag, wie ein Kamel aus dem Zug ausgeladen wird. Ist das Tier, das Sie abgeholt haben, zum Züchten?«
    »Ja, und für Kamelrennen. Wo kommen Sie eigentlich her?«
    »Sydney.«
    »Dachte mir doch gleich, dass Sie kein Mädchen vom Land sind«, erwiderte er und starrte ungeniert ihre nackten Beine an. Ihre hochhackigen weißen Sandaletten gefielen ihm. Er dachte an die Stiefel, die seine Frau meistens getragen hatte, und versuchte, sich Ruby in ihren Stöckelschuhen in einem Kamelpferch vorzustellen. Ein anzügliches Grinsen ging über sein Gesicht.
    Ruby zuckte innerlich zusammen. Befangen zupfte sie an ihrem Rocksaum.
    »Silverton ist ein bisschen was anderes als eine Großstadt wie Sydney«, fuhr er fort. »Was führt ein Stadtmädel hierher aufs Land?«
    »Ich will zu meinem Partner.«
    Ruby stellte fest, dass sie die Zivilisation hinter sich gelassen hatten. Ringsherum herrschte tiefschwarze Finsternis, nur der Mond spendete ein wenig Licht. Es war äußerst merkwürdig, nirgendwo eine Straßenlaterne zu sehen. Als sie von der asphaltierten auf eine unbefestigte Straße abbogen, tat es einen dumpfen Schlag. Ruby war kein Wegweiser aufgefallen. Der Truck rumpelte über Schlaglöcher, und Bernie fluchte wie ein Bierkutscher. Sie wunderte sich, als sie etliche Messlatten mit Wasserstandsmarkierungen passierten. Ruby konnte zwar draußen kaum noch etwas sehen, aber vom Zug aus hatte die Landschaft so ausgesehen, als hätte es seit Monaten nicht mehr richtig geregnet.
    »Geht das so weiter bis Silverton?«, fragte sie, nachdem der Truck in ein besonders tiefes Loch gepoltert und sie wieder einmal kräftig durchgeschüttelt worden war.
    Bernie lachte. »Die Straße nach Adelaide wird nicht vor November vollständig asphaltiert sein, und dort herrscht wesentlich mehr Verkehr als hier. Es könnte also Jahre dauern, bis der Abschnitt hier ausgebessert wird.«
    Ruby hätte nicht gedacht, dass die Leute auf dem Land so rückständig waren. »Fällt hier eigentlich viel Regen? Ich frage nur wegen der Wasserstandsanzeiger. Vom Zug aus hat alles so ausgedorrt ausgesehen.«
    »Viel nicht, aber wenn es im Norden heftig regnet, kriegen wir hier meistens auch was ab.« Der Zufall wollte es, dass genau in diesem Moment ein Blitz im Nordosten aufflammte. »Sieht so aus, als würde über Bourke oder Tibooburra ein Gewitter aufziehen. Nach einem schweren Unwetter führen unsere Bäche hier auch mal wieder Wasser. Und wenn es richtig dick kommt, muss die Straße sogar gesperrt werden.«
    Ruby hoffte nicht, dass es so weit kommen würde und sie am Ende in dieser gottverlassenen Gegend festsaß. Sie warf einen Blick zurück durch die Heckscheibe. Der Kopf des Kamels ragte über die Seitenwände des Hängers, gelassen starrte es in die Finsternis.
    »Sie wollen zu Ihrem Partner, sagen Sie?« Bernie streifte Ruby mit einem flüchtigen Blick. »Was für eine Art Partner ist das denn? Nennt man bei euch in der Stadt so seinen festen Freund?« Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer das hätte sein können.
    »Um Himmels willen, nein! Mir gehört die Hälfte eines Rennpferds namens Silver Flake. Schon mal davon gehört?« Ruby drehte den Kopf zum offenen Fenster und holte tief Luft. Bernies Körpergeruch nahm ihr fast den Atem.
    »Na klar hab ich davon gehört. Sie meinen doch Jed Monroes Pferd, oder?«
    »Ja.

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