Im Hauch des Abendwindes
bestimmt anstrengend, was?«, bemerkte er nur. »Ist es nicht ein bisschen früh für einen Drink für eine junge Dame? Auch wenn die junge Dame so unerschrocken ist und mit den Flusskrebsen baden geht«, fügte er spöttisch grinsend hinzu.
Ruby wurde blass. »Mit den Flusskrebsen?«
»Ja, so schlammfarbene kleine Kerlchen.«
»Beißen die?«
Der Mann lachte. »Sie können Sie mit ihren Scheren schon in die Zehen zwicken, aber ihr Fleisch ist eine Delikatesse.«
Sein irischer Akzent war nicht zu überhören. Das musste Mick Doherty sein, der Wirt, mit dem sie telefoniert hatte.
»Sind Sie hier, weil Sie Ihre Durchquerung des Hochwasser führenden Black Hill Creek begießen wollen?«, scherzte er. »Es ist zwar nicht unbedingt der Ärmelkanal, aber uns hier ist jeder Anlass recht, einen zu heben.«
»Ein Glas Eiswasser wäre wunderbar, aber nur, wenn es nichts kostet.«
Er hob die Brauen. »Das Wasser ist umsonst, aber die Eiswürfel muss ich Ihnen schon berechnen«, antwortete er todernst.
Er wollte sie natürlich nur auf den Armen nehmen. »Sie müssen Mick Doherty sein«, sagte Ruby.
»Höchstpersönlich.« Er nahm an, dass sie seinen Namen auf dem Schild mit seiner Schankkonzession über dem Eingang gelesen hatte. Er schenkte ihr ein Glas Wasser ein und widmete sich dann seiner Arbeit. »Was führt Sie denn nach Silverton?«, fragte er, während er die Bierflaschen in den Kühlschrank stellte.
»Ich bin Ruby Rosewell. Wir haben vor ein paar Tagen miteinander telefoniert. Ich suche Jed Monroe.«
Mick hielt mitten in der Bewegung inne. Ruby spürte, wie er sich anspannte. Als er mit dem Einräumen der Flaschen fertig war, kam er hinter der Theke hervor und begann, die Tische abzuwischen.
»Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde, Mr. Doherty?«, fragte sie schließlich.
Keine Antwort.
»Ich habe am Telefon kurz mit Mr. Monroe gesprochen, aber wir wurden unterbrochen«, fügte sie hinzu.
»Ach ja?« Mick ging zurück hinter die Theke, griff nach einem Tuch und fing an, die gespülten Gläser abzutrocknen.
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Mr. Doherty«, sagte Ruby höflich. »Wo finde ich Jed Monroe? Ich muss geschäftlich mit ihm reden.«
»Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen.«
Mick drehte ihr den Rücken zu und sah ein paar Unterlagen durch. Offensichtlich war die Unterhaltung für ihn beendet. Ruby konnte sich keinen Reim auf sein seltsames Benehmen machen. Noch wollte sie sich nicht geschlagen geben.
»Das ist eine kleine Stadt. Sie können mir doch sicherlich einen Hinweis geben, wo ich Mr. Monroe finden könnte.«
»Jetzt, da ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass er die Stadt vorgestern verlassen hat. Ich habe keine Ahnung, wann er zurück sein wird.«
»Wo ist er denn hin?«
»Ich hab keinen blassen Schimmer.«
Ruby war überzeugt, dass der Mann log. Aber aus welchem Grund?
»Wo kommen Sie eigentlich her?«, fragte Mick, als sie keine Anstalten machte zu gehen.
»Sydney. Das Hochwasser hat meinen Koffer weggeschwemmt, ich hab alles verloren, und ich kann die Stadt erst wieder verlassen, wenn ich diese geschäftliche Angelegenheit mit Mr. Monroe geregelt habe«, erklärte sie in der Hoffnung, er werde Mitleid mit ihr haben und sich entgegenkommender zeigen.
»Tut mir leid, ich weiß nicht, wo er ist«, erwiderte er frostig. »Kann sein, dass er erst in ein paar Monaten zurückkommt. Sie sollten wieder nach Hause fahren.«
»Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, dass das nicht geht. Ich besitze keinen Penny mehr.«
»In Broken Hill gibt es eine Anlaufstelle für Bedürftige«, versetzte er ungerührt.
»Ich will keine Almosen«, empörte sich Ruby.
»Miss Rosewell, in dieser Stadt leben mehr alleinstehende Männer als Frauen. Das ist nicht unbedingt ein sicherer Ort für eine allein reisende attraktive, junge Frau, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Halten Sie mich bitte nicht für einfältiger, als ich bin, Mr. Doherty. Ich werde erst abreisen, wenn ich mit Mr. Monroe gesprochen habe«, sagte Ruby mit fester Stimme. »Im Übrigen glaube ich nicht, dass er die Stadt verlassen hat. Also sagen Sie ihm bitte, dass ich hier war und unbedingt mit ihm reden muss.«
Mick Doherty funkelte sie an, erwiderte aber nichts. Ruby drehte sich um und ging.
Draußen vor dem Hotel blieb sie unschlüssig stehen. Was sollte sie tun – an jedem Haus in der Stadt anklopfen? Ob sie in einem davon Jed Monroe fand? Ein Pick-up, ein sogenannter Ute, kam auf der anderen
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