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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Straßenseite herangebraust. Staub wirbelte auf, als er abbremste. Ein Mann sprang heraus, dann wendete der Wagen.
    »Bis später, Jacko«, rief der Fahrer aus dem Fenster, bevor er davonbretterte.
    Jacko? Ob das der freundliche, aber offensichtlich nicht allzu helle Typ war, den sie bei ihrem zweiten Anruf am Telefon gehabt hatte? Er überquerte die Straße. Als er Ruby im Schatten der Veranda vor dem Hotel stehen sah, riss er Mund und Augen auf. Das war die hübscheste junge Frau, die er je gesehen hatte.
    Ruby ging lächelnd auf ihn zu. »Hallo. Sie sind Jacko, nicht wahr?«
    Er wurde rot vor Freude. Normalerweise liefen die Frauen davon, wenn sie ihn kommen sahen, und gingen ihm nicht entgegen. »Ganz recht. Einen schönen guten Tag.«
    Ruby dachte blitzschnell nach. »Ich soll Ihnen einen Gruß von Jed Monroe bestellen, er wird Ihnen später einen ausgeben.« Als Jacko sich nicht erstaunt zeigte, wusste sie, dass sie mit ihrer Vermutung Recht gehabt hatte: Mick Doherty hatte sie belogen. »Er hat irgendwas von einer verlorenen Wette gesagt«, fügte sie mit den Wimpern klimpernd hinzu.
    Jacko, ein großer, schmuddeliger Mann, der genau wie Mick Doherty gekleidet war, lachte und schob seinen ramponierten Akubra-Filzhut aus der Stirn. »Wird ja auch Zeit!« Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht und fuhr sich voller Vorfreude auf sein erstes Bier an diesem Tag über die Lippen. Aber erst kam die Arbeit: Er würde die leeren Flaschen vom Abend zuvor wegräumen müssen.
    »Er hat zwar nicht gesagt, wann er herkommen würde, aber ich denke, so wie immer.«
    »O ja, ganz bestimmt, er trudelt immer gegen fünf ein«, erwiderte Jacko. Er grinste und ließ seine krummen, tabakvergilbten Zähne sehen.
    »Jacko!«, donnerte Mick Doherty vom Eingang der Bar. »Mach, dass du reinkommst, du Hornochse!«
    Jacko blickte erschrocken drein. »Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?«, murmelte er. Laut fügte er hinzu: »Ich komm ja schon.« Er sah Ruby erwartungsvoll an. »Vielleicht sehen wir uns ja später noch.«
    »Darauf können Sie wetten«, erwiderte sie und lächelte süffisant.

9

     
    Ruby beschloss, zum Fluss hinunterzugehen, um nachzusehen, ob das Hochwasser schon zurückgegangen war. Sie wollte keinen Tag länger als unbedingt nötig in Silverton bleiben, deshalb konnte sie es kaum erwarten, nach Penrose Park zu kommen, in der Hoffnung, Jed Monroe dort anzutreffen.
    Als sie die Hauptstraße entlangging, trottete einer der frei umherlaufenden Esel auf sie zu. Ein zweiter folgte ihm, aber er lahmte und blieb in sicherer Entfernung stehen.
    »Na, du«, sagte Ruby unsicher.
    Sie hatte nur ein einziges Mal, mit neun Jahren, einen Esel aus nächster Nähe gesehen, und zwar im Taronga-Zoo in Sydney. Zögernd streckte sie die Hand aus und tätschelte ihm den Kopf, was er sich gefallen ließ. Ruby lächelte. Er beschnupperte ihre Hand und schien ganz friedlich, aber dann zwickte er sie plötzlich in den Arm.
    »Au!« Ruby wich erschrocken zurück.
    »Iah, iah!«, schrie der Esel und zeigte dabei seine kräftigen Zähne. Wollte er ihr drohen?
    Ruby ergriff die Flucht. Zum Glück war es dem alten Esel offensichtlich zu anstrengend, ihr nachzulaufen. Als sie sicher war, dass er sie nicht verfolgte, ging sie langsamer weiter. Dort, wo der Esel sie gezwickt hatte, konnte man einen roten Abdruck sehen. Ruby schlug das Herz bis zum Hals. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn das Tier sie ernsthaft verletzt hätte.
    Sie kam an den beiden leer stehenden Läden vorbei. Auf dem Schild über der einen Ladentür stand »Chapple and Allen (Transporte)« und auf der Fensterfront des anderen Geschäfts »Goss and Robertson«. Ruby versuchte, sich die Hauptstraße so vorzustellen, wie sie früher gewesen war, als die Stadt noch dreitausend Einwohner gehabt hatte, aber das war fast unmöglich. Sie ging auf die andere Straßenseite hinüber. Hier hatte einmal das Barrier Ranges Hotel gestanden, eines von mehreren Hotels in der Blütezeit der Stadt. Es sei schon vor vielen Jahren, als sie noch ein Kind gewesen war, abgerissen worden, hatte Girra ihr erzählt, aber die Fundamente waren noch zu sehen. Der Laden daneben gehörte Charlie Gillard. »Walter Sully’s Alpha Store 1898« stand in verblasster Schrift über dem Schaufenster. Girra hatte ihr auch Charlies kleines Haus ein Stück weiter die Straße hinauf gezeigt.
    Ruby spähte durch das Fenster. Charlie Gillard stand hinter dem Ladentisch. Er war

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