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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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haben. Gestaltung und Guss der vielen verschiedenen Lettern und die Zusammenstellung des Textes waren also komplizierter als bei anderen Alphabeten. Die ersten arabischen Schriftsetzer versuchten, die Kalligraphen nachzuahmen: Sie benutzten zusätzlich kürzer klingende Vokale (die keine eigenständigen Buchstaben sind, sondern Punkte und Schnörkel über oder unter den Konsonanten) und andere Symbole wie die shadda , die eine andere Betonung mancher Buchstaben andeuten. Heute kommt nichts davon im gedruckten Arabisch vor, denn die Aussprache der Worte ist entweder offensichtlich oder ergibt sich aus der Grammatik.
    Noch bis ins 17. Jahrhundert hinein hegten die Muslime eine heftige Abneigung gegenüber dem Buchdruck. Die Kalligraphie war – und ist bis heute – in der islamischen Welt weit mehr als nur eine Kunstform oder ein ästhetischer Stil; sie war ein Zeichen der kulturellen Identität. Der Druck mit beweglichen Lettern bedeutete, dass die fließende Harmonie dieser wunderschönen Tradition auf einen mechanistischen Prozess reduziert wurde, und das führte zu heftigen Widerständen.
    Aber geschäftstüchtige europäische Drucker erkannten hier das Potential eines nicht erschlossenen Marktes, und eines der ersten Bücher, das auf Arabisch gedruckt wurde – 1537 von den Paganinis aus Venedig – war der Koran selbst. Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, das einzige noch erhaltene Exemplar dieser ehrgeizigen Ausgabe zu studieren. Es wurde in den 1980er Jahren von der italienischen Historikerin Angela Nuovo in der Bibliothek der Franziskanerbrüder von San Michele in Isola in Venedig entdeckt, [209] und anscheinend hatten bis dahin höchstens einige wenige arabische Muttersprachler die Gelegenheit gehabt, es sich anzusehen. Deshalb war es für mich faszinierend, einen näheren Blick darauf zu werfen, insbesondere weil es seit langem von einer Aura des Geheimnisvollen umgeben war.
    Bei der Durchsicht fielen mir sehr schnell mehrere typographische Fehler auf. Das arabische Wort für »dieses« zum Beispiel lautet dhalika . Es taucht im Text fälschlich mit dem Vokal »a« anstelle des »i« auf: eine schräge, gestrichelten Linie über dem »l« statt darunter, was dhalaka ausgesprochen wird – ein sinnloses Wort. Dieser scheinbar triviale Rechtschreibfehler im heiligen Buch der Muslime wäre als Sakrileg betrachtet worden, und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Osmanen, denen der kühne venezianische Verleger mehrere hundert Exemplare anbot, ablehnten.
    Da die venezianischen Kaufleute also die Osmanen nicht von den Vorteilen der Druckerpresse überzeugen konnten, breitete diese sich auch nicht über Istanbul hinaus auf andere Teile der islamischen Welt aus. Als in der Türkei 1727 schließlich der arabische Buchdruck eingeführt wurde, verlegte man nur Bücher über Geographie, Geschichte und Sprache. Religiöse Werke waren von der Genehmigung ausdrücklich ausgeschlossen.

    Aber ein Rückgang im Umfang der wissenschaftlichen Produktion lässt nicht zwangsläufig darauf schließen, dass die Gelehrsamkeit da, wo sie sich fortsetzte, von schlechter Qualität war. Deshalb möchte ich zum Schluss die Leistungen dreier weiterer großer Gestalten erörtern. Dies waren ein Arzt im 13. Jahrhundert, ein Historiker und Sozialwissenschaftler im 14. und ein Mathematiker im 15. Damit möchte ich nicht nur deutlich machen, dass die islamische Astronomie nicht als einziges Fachgebiet auch im Mittelalter weiterhin florierte, sondern ich habe auch schlicht und einfach das Gefühl, dass ich diese drei Männer in meinem Bericht über die arabische Wissenschaft nicht auslassen darf.
    Eine beliebte Quizfrage zum Allgemeinwissen lautet: »Welcher Wissenschaftler erklärte als Erster den Blutkreislauf?« Nach der traditionellen, »richtigen« Antwort war dies der englische Arzt William Harvey im Jahr 1616. Aber wie so häufig in der Wissenschaft, so ist auch diese Geschichte in Wirklichkeit nicht so einfach. Aus Quellen, die man 1924 in einer Berliner Bibliothek entdeckte, geht eindeutig hervor, dass die Grundlagen für die Entdeckung von dem syrischen Arzt (der zwangsläufig auch Universalgelehrter war) Ibn al-Nafis (1213–1288) gelegt wurden: Er lieferte die erste richtige Beschreibung des Lungendurchganges, wie man ihn heute nennt, weil das Blut durch ihn aus der rechten Herzhälfte über die Lunge in die linke gelangt. Galen glaubte, das Blut fließe durch winzige Öffnungen in der dicken Wand, die beide

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