Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
Regierungen von Malaysia bis Nigeria investieren derzeit tatsächlich ganz erstaunliche Summen in neue, spannende Projekte, weil sie Forschungsinstitutionen von Weltniveau schaffen wollen. Die Herrscher mehrerer Golfstaaten bauen beispielsweise neue Universitäten, wobei Arbeitskräfte sowohl für den Bau als auch für das spätere Personal aus dem Westen importiert werden.
Mit Geld allein lässt sich das Problem allerdings nicht beheben. Noch wichtiger ist der politische Wille, Reformen durchzusetzen und echte Gedankenfreiheit zu gewährleisten. Nader Fergany, der Direktor des Almishkat Centre for Research in Ägypten, ist der leitende Autor des Report on Arab Human Development . In dem Bericht wird ganz deutlich darauf hingewiesen, was am allerwichtigsten ist: eine Reform der wissenschaftlichen Institutionen, Respekt für Meinungs- und Entfaltungsfreiheit, die Sicherung hochwertiger Bildung für alle und ein beschleunigter Übergang zu einer wissensbasierten Gesellschaft und dem Informationszeitalter. [221]
Ich möchte aber mit einer positiven Anmerkung schließen und kurz drei spannende neue Projekte erwähnen, die im Mittleren Osten beträchtliche öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben. Das erste ist ein neuer Wissenschaftspark, der im Frühjahr 2009 in Education City errichtet wurde, einer wachsenden Metropole am Rand von Doha, der Hauptstadt von Qatar. Dort ist eine Reihe von Filialen einiger führender Universitäten der Welt beheimatet. Der Qatar Science and Technology Park soll zu einer Drehscheibe für Technologieunternehmen aus der ganzen Welt werden, die, so zumindest die Vorstellung, den Erfolg des kalifornischen Silicon Valley wiederholen sollen.
31.
Das neu eröffnete Gelände der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Jiddah.
Ebenso ehrgeizig ist die KAUST (King Abdullah University of Science and Technology), eine zehn Milliarden Dollar teure Forschungsuniversität, die kürzlich an der Westküste Saudi-Arabiens in der Nähe der Stadt Jiddah fertiggestellt wurde. Die internationale Forschungsinstitution wurde 2009 eröffnet. Den Ankündigungen zufolge ist sie nicht nur das »lebende Zeugnis für die Inspirations- und Wandlungskraft von Wissenschaft und Technologie, das die große, edle Tugend des Lernens verbreiten wird«, sondern – interessant – auch »das neue Haus der Weisheit, welches das große arabische Erbe der wissenschaftlichen Forschung wieder zum Leben erwecken wird«. [222] Unglaublich, aber wahr: Der riesige Gebäudekomplex dieser internationalen Forschungsuniversität mit hochmodernen Labors und einem Etat von 1,5 Milliarden Dollar für die Forschungsinstitute in den ersten fünf Jahren wurde in weniger als drei Jahren aus dem Boden gestampft. Eine Pionierinstitution ist sie auch, weil sie als erste Bildungseinrichtung Saudi-Arabiens vollständig koedukativ ist: Frauen und Männer sitzen in den Hörsälen nebeneinander und nicht in getrennten Räumen. Sie verspricht den Forschern die Freiheit, kreativ zu sein und die höchsten internationalen Maßstäbe für Gelehrsamkeit, Forschung und Bildung anzulegen. Die Forschung konzentriert sich auf vier Fachgebiete, die für die Pläne Saudi-Arabiens, die Sonnenenergie zu nutzen und Nutzpflanzen für das heiße, trockene Land zu entwickeln, entscheidend sind. Viele führende Universitäten in Europa und den Vereinigten Staaten haben sich um Verbindungen zu ihr bemüht, und das – so kann man hoffen – nicht aus finanziellen, sondern aus wissenschaftlichen Gründen.
Das letzte positive Beispiel ist ein Projekt namens SESAME: das erste wichtige internationale Forschungszentrum des Mittleren Ostens, das als Gemeinschaftsunternehmen von Wissenschaftlern und Staaten der Region betrieben wird. Die Abkürzung steht für »Synchrotron-light for Experimental Science and Applications in the Middle East« (»Synchrotron-Licht für Experimentelle und Angewandte Wissenschaft im Mittleren Osten«). Synchrotronstrahlung ist eine Art energiereiches Licht, das von elektrisch geladenen subatomaren Teilchen ausgesandt wird, wenn man sie in einem Magnetfeld nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Man hat auf der Welt eine ganze Reihe von Synchrotronlabors gebaut, die einem breiten Spektrum hochaktueller Forschungsarbeiten dienen.
Als man sich 1997 in Deutschland entschloss, die Synchrotron-Forschungseinrichtung BESSY stillzulegen, kam man überein, die Bauteile dem SESAME-Projekt zu stiften, das sich unter der
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