Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
bis VI von Theorien über Sonne und Mond; die Bücher VII und VIII sind Sternenkataloge, und die Bücher IX bis XII schließlich behandeln die Theorie der Planeten. Zusammen mit Euklids Elementen galt das Almagest als das wichtigste wissenschaftliche Werk, das man in die arabische Sprache übersetzt hatte. Aber trotz dieser unglaublichen Hinterlassenschaft hatte Ptolemäus selbst – im Gegensatz zu Hipparchos – offenbar erstaunlich wenige astronomische Beobachtungen angestellt und die offenbar auch häufig nicht korrekt aufgezeichnet. [66]
Der von al-Ma’mun in Auftrag gegebene Bau der Sternwarte in Bagdad, mit der viele griechische, im Almagest aufgezeichnete Beobachtungen überprüft werden sollten, war vermutlich das erste staatlich finanzierte Großforschungsprojekt der Welt. In der modernen Wissenschaft arbeiten häufig Tausende von Wissenschaftlern in multinationalen, milliardenschweren Projekten wie dem Großen Hadronenbeschleuiger bei CERN in Genf zusammen. Was al-Ma’mun – wenn auch in viel bescheidenerem Maßstab – erreichte, sollte nicht weniger spektakuläre Ergebnisse liefern. Er stellte ein beeindruckendes Team aus Mathematikern, Astronomen und Geographen zusammen; sie alle sollten an drei Großprojekten arbeiten, die ein Mensch alleine unmöglich hätte bewältigen können.
Sanad ibn al-Yahudi war ein ehrgeiziger junger Mann, der sich in den höheren Gesellschaftsschichten Bagdads in den richtigen Kreisen bewegte. Sanad war der Sohn eines jüdischen Astrologen, der höchstwahrscheinlich am Hof des Kalifen arbeitete, aber er erkannte sehr schnell, dass er zum Islam konvertieren musste, wenn er sich im Umfeld des Herrschers einen Namen machen wollte. Wie viele kluge junge Köpfe seiner Generation studierte er das Almagest , aber wie er sehr schnell bemerkte, konnte er seine wissenschaftlichen Bestrebungen nur dann weiterverfolgen, wenn er zur »angesagten« Gruppe bekannter Gelehrter im Umfeld al-Ma’muns gehörte. Insbesondere ein Mann sollte in Sanads Leben eine bedeutende Rolle spielen: al-Abbas al-Jauhari. Dieser war höchst angesehen, einige Jahre älter als Sanad und hielt in seinem Haus regelmäßig Zusammenkünfte mit einer Gruppe von Gelehrten ab. Einem Bericht zufolge überzeugte Sanad den Älteren mit seinen beeindruckenden Kenntnissen über das Almagest und wurde in den Kreis aufgenommen. [67] Al-Janhari legte auch beim Kalifen ein gutes Wort für ihn ein, und wenig später erhielt Sanad einen Arbeitsplatz in dem neuen Haus der Weisheit.
Der leitende Astronom an al-Ma’muns Hof war ein Perser namens Yahya ibn abi Mansur, der von Anfang an mit dem Haus der Weisheit in Verbindung stand und angeblich zu den Lehrern der Brüder Banu Musa gehörte. [68] Als al-Ma’mun von der Notwendigkeit überzeugt war, die im Almagest zitierten astronomischen Beobachtungen und Messungen zu wiederholen, wandte er sich an zwei Männer: den weisen alten Yahya und den unternehmungslustigen jungen Sanad. Ihnen übertrug er im Jahr 828 die Aufgabe, das neue Observatorium zu bauen und zu leiten. Die Vorstellung von einer Sternwarte war nichts Neues – diese sollte allerdings zur ersten in der islamischen Welt werden –, aber noch nie zuvor hatte man ein solches Observatorium als echte wissenschaftliche Einrichtung errichtet. Man wählte einen Platz im Nordosten der Stadt in einem Bezirk namens al-Shammasiyya. Manche Historiker nennen es mit seinem eigentlichen Namen das Mumtahan-Observatorium, [69] häufig wird es aber auch einfach als Shammasiyya bezeichnet. Was für Instrumente in dem Observatorium benutzt wurden, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen, aber es dürfte eine Sonnenuhr mit einem Schattenzeiger aus Messing gegeben haben, mit der man den Sonnenstand anhand der Länge des geworfenen Schattens messen konnte, außerdem Astrolabien und vor allem einen Mauerquadranten (ein Instrument ähnlich einem riesigen Winkelmesser aus der Schulgeometrie, der aber in der Mitte durchgeschnitten wurde, einen Viertelkreis bildete und auf die Kante gestellt wurde, um damit am Himmel die genaue Position eines Objekts entlang eines Zeigerarmes zu messen). Zur Ausführung dieses ehrgeizigen astronomischen Projekts zog al-Ma’mun auch al-Janhari heran, und wie nicht anders zu erwarten, sicherte er sich außerdem die Unterstützung des großen al-Khwarizmi.
Auch ein anderer Astronom wurde zu Hilfe geholt. Er genoss zu jener Zeit kein ganz so hohes Ansehen wie al-Khwarizmi oder Yahya ibn abi
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