Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Mansur, aber er sollte zu den vielen islamischen Astronomen gehören, die Einfluss auf die europäische Renaissance hatten. Er hieß al-Farghani und konnte nicht nur Anspruch auf Ruhm erheben, weil er eine verbreitete Kurzfassung des Almagest verfasst hatte (gründliche Kenntnisse über das Werk waren die Grundvoraussetzung, um an der spannenden Zusammenarbeit teilzuhaben), sondern insbesondere auch, weil er einige Jahre später am Bau des Nilometers mitgewirkt hatte, eines Geräts zur Messung des Wasserstandes des Nils, das im Zentrum Kairos noch heute zu sehen ist. Sein Andenken blieb auch durch den großen italienischen Schriftsteller und Dichter Dante (1265–1321) erhalten: Dieser bezog die meisten astronomischen Kenntnisse, die er in seine Göttliche Komödie einfließen ließ, aus den Schriften von al-Farghani (den er mit seinem lateinischen Namen Alfraganus nannte). Ein weiterer berühmter Italiener, Christoph Kolumbus, benutzte al-Farghanis Berechnung des Erdumfanges, um seine Geldgeber zur Finanzierung seiner berühmten Reise zu überreden. Al-Farghanis wichtigster Beitrag zum Shammasiyya-Projekt waren jedoch offenbar seine Fachkenntnisse über astronomische Instrumente. Seine Abhandlung über das Astrolabium, die bis heute erhalten geblieben ist, beschreibt die mathematischen Prinzipien, die hinter dem Bau eines solchen Instruments stehen. [70]
    Ptolemäus verfasste nicht nur das Almagest , sondern er erstellte auch eine ganze Reihe astronomischer Tabellen, die sich für viele astronomische Berechnungen als sehr nützliche Hilfsmittel erwiesen. Sie enthielten alle Angaben, mit denen man die Positionen von Sonne, Mond und Planeten, den Auf- und Untergang der Sterne sowie Sonnen- und Mondfinsternisse sehr viel schneller und bequemer berechnen konnte als mit ähnlichen Tabellen, die er in das umfassendere Almagest aufgenommen hatte. Seine astronomischen Tabellen wurden mit verschiedenen Abwandlungen zum Vorbild für die spätere arabische Tabelle oder Sternenkarte, die unter dem Namen zij bekannt wurde. [71]
    So kam es, dass in den Jahren 828/829 im Laufe ungefähr eines Jahres die erste ernsthafte kritische Würdigung des Ptolemäus und seiner Astronomie begann; zu diesem Zweck wurden in Shammasiyya die ersten systematischen astronomischen Beobachtungen der islamischen Welt angestellt. Insbesondere Sonne und Mond wurden – vorwiegend von Yahya ibn abi Mansur unter Aufsicht von al-Khwarizmi – eingehend beobachtet, und zur gleichen Zeit soll den Berichten zufolge auch eine Tabelle mit Längen- und Breitengraden von 24 Fixsternen entstanden sein. Nun befahl al-Ma’mun zur Ausführung weiterer Messungen den Bau eines zweiten Observatoriums, dieses Mal beim Kloster Dayr Murran am Abhang des Berges Qasyun oberhalb von Damaskus.
    Sein leitender Astronom Yahya ibn abi Mansur starb im Frühsommer 830; von nun an wurden die Arbeiten an dem neuen Observatorium von Khalid al-Marwarrudhi beaufsichtigt, der auch einige neue Instrumente für den dortigen Gebrauch konstruierte. Außerdem baute er einen fünf Meter hohen Mauerquadranten zur Messung des Sonnenwinkels. Das Gerät bestand aus Messing und war auf einem Marmorfundament montiert, das man in den Berghang eingelassen und auf den Meridian ausgerichtet hatte. Mit den neuen Instrumenten fand 832/33 unter al-Marwarrhudhis Leitung eine weitere Serie von Sonnen- und Mondbeobachtungen statt, mit denen die von Shammasiyya ergänzt werden sollten. Offenbar traten dabei jedoch Schwierigkeiten auf, weil die aus Metall gefertigten Instrumente sich in der sommerlichen Hitze verbogen und ausdehnten. [72]
    Nachdem alle Beobachtungen abgeschlossen waren, wurde für al-Ma’mun eine neue zij erstellt, in der alle Befunde zusammengefasst waren. Dieses Werk ist unter dem Titel al-Zij al-Mumtahan (»Die bestätigten Tabellen«) bekannt. [73] Mit diesen zij wird häufig der Name Yahya ibn abi Mansur in Verbindung gebracht, aber da er an den Messungen in dem syrischen Observatorium nicht beteiligt war, gehen sie ganz offensichtlich nicht auf ihn allein zurück. In Wirklichkeit ähnelt das Werk einem heutigen wissenschaftlichen Fachartikel mit zahlreichen Autoren, und die Arbeitsgruppe von Astronomen, die an seiner Erstellung mitwirkten, wurde als al-Sahab al-Mumtahan (»Gefährten der bestätigten Tabellen«) bezeichnet; dies ist auch der Ursprung des zweiten Namens für Shammasiyya: Mumtahan-Observatorium.

    Nach einer weitverbreiteten falschen Vorstellung entdeckte Christoph