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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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Mittelalters. In der Chemie erweiterte er Jabirs Arbeiten, baute darauf auf und festigte das Fachgebiet als echte experimentelle Wissenschaft, die sich auf sorgfältige, genaue Beobachtungen stützt.
    Zu al-Razis größten Leistungen in der Chemie gehört sein Klassifikationsschema, das ein weit höher entwickeltes Niveau erkennen lässt als das von Jabir. In seinem Buch der Geheimnisse ( Kitab al-Asrar ), das um das Jahr 900 verfasst wurde und im Wesentlichen eine Abhandlung über alchemistische Geheimnisse darstellt, ordnete er alle Substanzen in vier Gruppen ein: tierisch, pflanzlich, mineralisch und von diesen drei abgeleitet. Seine Mineralien unterteilte er wiederum in sechs Kategorien; dabei stützte er sich nicht auf das oberflächliche Aussehen, sondern auf ihre chemischen Eigenschaften, das gleiche Prinzip, das auch hinter dem modernen Periodensystem steht. Diese Eigenschaften waren: Geister (wie Quecksilber und Schwefel), Metalle, Steine, Atrimente, Boraxe und Salze. Jede Gruppe unterschied sich in einer chemischen Eigenschaft grundlegend von allen anderen: Geister waren brennbar, Metalle glänzten und ließen sich formen, Salze lösten sich in Wasser und so weiter. Heute ordnen wir chemische Substanzen zwar nicht nach solchen Kriterien, entscheidend ist aber, dass al-Razi sie überhaupt zum ersten Mal nicht auf der Grundlage philosophischer Überlegungen, sondern nach experimentellen Beobachtungen klassifizierte.
    Denen, nach deren Ansicht die Chemie eigentlich erst im 17. und 18. Jahrhundert mit Europäern wie Robert Boyle (1627–1691) und Antoine Lavoisier (1743–1794) ernsthaft begann, halte ich entgegen: Ihre Definition der Chemie als richtige, experimentelle Wissenschaft ist zu streng. Natürlich waren die islamischen Chemiker mit vielen ihrer Theorien meilenweit von der Wahrheit entfernt. Aber Wissenschaft beginnt nicht mit den neuesten, am besten zutreffenden Theorien. Wie sollen wir dann mit Newtons Gravitationsgesetz umgehen? Wie wir heute wissen, gründete es sich auf die falsche Annahme, die Gravitationskraft wirke augenblicklich zwischen Körpern, ganz gleich, wie weit sie voneinander entfernt sind. An die Stelle dieser magischen »Fernwirkung« trat die genauere Beschreibung der Gravitation als Krümmung der Raumzeit in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Aber deshalb würde niemand behaupten, Newtons Arbeiten über die Gravitation seien keine Wissenschaft. In Wirklichkeit gelten sie zu Recht als eine der größten wissenschaftlichen Entdeckungen aller Zeiten.
    Oder nehmen wir das andere Extrem: Wir alle können uns darauf einigen, dass die alchemistische Magie und die Zaubersprüche der alten Zeiten kein Teil der Naturwissenschaft waren. Nun stellt sich die Frage, wo wir in den Arbeiten von Jabir ibn Hayyan die Grenze ziehen. An dieser Stelle greifen wir auf die ganz eindeutige Definition der naturwissenschaftlichen Methode zurück: Sie ist die Untersuchung von Phänomenen, der Erwerb neuer Erkenntnisse und die Korrektur sowie das Zusammenführen früherer Kenntnisse auf der Grundlage von Daten, die durch Beobachtungen und Messungen gesammelt wurden. Wo das praktiziert wird, da wird echte Wissenschaft betrieben. Betrieb Jabir demnach echte Wissenschaft? Nicht ganz. Einige Aspekte der naturwissenschaftlichen Methode waren noch nicht vorhanden. Dennoch ist es mir ein Vergnügen, ihn als Wissenschaftler zu bezeichnen. Und das ist noch nicht alles: Er war der allererste unter den großen Wissenschaftlern des Goldenen Zeitalters, auch wenn er die Gründung von al-Ma’muns großer Akademie in Bagdad nicht mehr erlebte, jenes Ortes, an dem wir den eigentlichen Beginn des Goldenen Zeitalters erkennen können. Sie war als Haus der Weisheit bekannt, und ihr Licht strahlte nicht nur im ganzen Reich, sondern auch darüber hinaus.

6
    Großforschung
Schlaflos sehe ich zu, wie die Himmel sich drehen,
Getrieben von der Bewegung der Sphären;
Die Sterne erzählen (ich weiß nicht, wie)
Vom Wohl und Wehe der kommenden Jahre.
Flöge ich zum Sternengewölbe,
Um dem Himmel nach Westen zu folgen
So würde ich auf meiner Reise erfahren
Welch’ Schicksal den Dingen hier unten beschieden.
Der Kalif al-Ma’mun
    Als Entgegnung auf die naive eurozentrische Behauptung, die Abassiden hätten nicht mehr getan, als vorhandene griechische Kenntnisse zu übersetzen und zu assimilieren, weisen Historiker gern darauf hin, wie es weiterging, nachdem die Übersetzungsbewegung in vollem Gange war: Die Gelehrten

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