Im Haus des Wurms
gingen, desto schwächer wurde sein Jammern.
Groff drehte sich um und lief den Gang zurück.
»Kommt«, sagte er. Riess eilte mit der Fackel an seine Seite. Der Ritter stand neben einem Luftschacht, der einen Schwall warmer Luft entließ. Das Fackelfeuer tanzte. Annelyn bemerkte, daß der Schacht nicht mit einem Gitter versperrt war. Groff bückte sich. »Da ist ein Seil«, flüsterte er.
Annelyn hörte jetzt, daß das Geräusch tatsächlich aus dem Schacht zu ihnen heraufdrang.
Groff steckte die Axt in den Gürtel, packte das Seil mit beiden Händen und sprang in das Loch. »Folgt mir«, sagte er und verschwand, eine Hand unter die andere setzend, in der Dunkelheit. Riess sah Annelyn mit angsterfüllten Augen fragend an.
»Das ist zweifellos Spinnenseide«, sagte Annelyn.
»Das Seil wird stark genug sein. Mach die Fackel aus und komm nach.« Dann packte auch er das schwankende Seil.
Der Schacht war warm und enger, als Annelyn vermutet hatte. Er konnte sich mit Knien und Rücken zwischen den Wänden einkeilen und so eine Weile verschnaufen, wenn er vom Klettern müde wurde. Mit Groff am unteren Ende und Riess am oberen hatte Annelyn Mühe, mit den Schwingungen des Seils fertig zu werden. Aber es war stark und neu und ließ sich gut greifen.
Schließlich traten Annelyns Füße ins Leere. Er hatte einen Zwischengang erreicht, und unter ihm gähnte die unvergitterte Verlängerung des Luftschachtes. Groff zog ihn auf den Boden, und gemeinsam halfen sie Riess, der vor Anstrengung keuchte.
Sie standen in einem kleinen Raum. Drei Gänge liefen hier zusammen und wiesen auf ein gewaltiges Metalltor, hinter dem ein großer Saal lag. Annelyn stellte fest, daß das Seil, an dem sie hinabgeklettert waren, die einzige Verbindung zu diesem Raum war, denn der Zugang von den drei Höhlen aus wurde durch Ziegelmauern versperrt. Aus dem geöffneten Saaltor drang genug Licht, um sehen zu können.
Aus dem Schatten in der Nähe des Luftschachts starrten sie angestrengt nach vorn. Groff kauerte auf dem Boden und hielt die Axt in der Hand. Annelyn hatte sein Rapier gezogen.
Der Saal war ungefähr so groß wie die Kammer des Obsidians. Aber damit hörte auch schon jeder Vergleich auf. Im Inneren war zu erkennen, daß der Fleischbeschaffer einen Thron bestiegen hatte und zwei Fackeln anzündete, die in Halterungen an der Rük-kenlehne steckten. Ihr Flackern mischte sich mit seltsamen Strahlen, einer violetten Glut, die von riesigen, pilzbefallenen Kugeln an den Wänden herrührte. Neben dem Fleischbeschaffer lag Vermyllar gefesselt auf einem fahrbaren Bett und gab ein unzusammenhängendes Gestammel von sich. Er zerrte krampfhaft an den Ketten, die ihn gefangen hielten, doch der Fleischbeschaffer ignorierte ihn.
In dem seltsamen Zwielicht des Saales wirkte alles noch unheimlicher, als es ohnehin schon war. Die metallenen Wände waren rostzerfressen, aber es gab auch blanke Stellen. In der hohen, dunklen Kuppel saßen Millionen kleiner, meist zersprungener Glasscheiben, die das Fackellicht reflektierten. An den Wänden hingen aufgeblähte, transparente Blasen. Einige überzog ein her-abhängendes, phosphorisierendes Gewächs, andere waren trocken und aufgeplatzt, wieder andere schienen mit einer zäh brodelnden Flüssigkeit gefüllt zu sein.
Zwischen den Wänden lag bizarres Schattenmeer. Da stand ein Dutzend fahrbarer Betten, alle von der Art wie das, auf dem Vermyllar gefesselt lag. Vier riesige Säulen stützten ein Netz aus Drähten und Metallstangen. Da war ein schwerer Tank zu sehen, der den Brutkästen glich, die die Yaga-la-hai für die Aufzucht von Speisewürmern benutzten. Überall lagen Berge von Kleidung herum (manche schienen noch neu zu sein, andere waren von Schimmel überwuchert), Waffen, durchlöcherte Metallkisten und undefinierbare Gegenstände. In der Mitte des Saales stand der hohe Thron aus grün-schwarzem Stein. Ein silbrig glänzendes Theta war in die Rückenlehne, knapp über dem Kopf des Fleischbeschaffers, eingearbeitet worden.
Der Fleischbeschaffer saß mit geschlossenen Augen zurückgelehnt auf dem Thron. Vielleicht ruht er sich aus, dachte Annelyn. Vermyllar jammerte, stöhnte, röchelte und stieß Worte aus, die keinen Sinn ergaben.
»Er hat den Verstand verloren«, flüsterte Annelyn, überzeugt davon, daß Vermyllars Rufe seine Stimme überlagern würden. »Oder wird ihn bald verlieren.«
»Ja«, sagte Riess und rückte näher an seinen Freund heran. »Wann befreien wir ihn?«
Groff schaltete
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