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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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tastete er sich mit den Füßen vor, hinweg über den glucksenden Abgrund dem düsteren, roten Licht entgegen. Die Brücke knarrte und vibrierte unter den Füßen, und mehr als einmal spürte Annelyn, wie der Boden nachzugeben drohte. Immer wieder mußte er einen Schritt zurückgehen und einen anderen Tritt ertasten. Riess folgte ihm und hielt sich krampfhaft an dem brüchigen Geländer fest. Groff ging sicher über die Stellen, die die beiden Jungen vor ihm erprobt hatten.
    Auf halbem Wege fing die Brücke an zu schwingen –
    zuerst langsam, aber dann immer heftiger. Annelyn blieb wie angewurzelt stehen, umklammerte den Handlauf und blickte sich nach Groff um.
    Der bronzene Ritter fluchte. »Drei sind zuviel«, sagte er. »Beeilt euch!«
    Annelyn ging, so schnell er nur konnte, weiter. Die Brücke geriet nun noch mehr in Schwingung. Er versuchte, noch einen Schritt dazuzulegen, und hörte die anderen hinter ihm hereilen. Plötzlich krachte und barst es an einer Stelle, ein Schrei gellte durch den Raum.
    Annelyn fing an zu laufen, nahm die letzten Meter mit einem Satz und landete auf dem Steinvorsprung, in dem die Brücke verankert war. Jetzt erst drehte er sich um und sah, daß Riess in ein Rostloch getreten war. Mit dem rechten Bein war er durchgebrochen. Groff half ihm wieder auf. »Halt die Brücke ruhig«, rief Groff, und Annelyn versuchte mit aller Macht, das Schaukeln der Brücke abzufangen.
    Bald hatte auch Groff den Steinvorsprung erreicht. Er stützte den humpelnden Riess. Dank seiner Lederbekleidung war er von ernsteren Verletzungen verschont geblieben. Trotzdem hatte er sich an einigen Stellen das Bein aufgeritzt, und aus den Wunden quollen ein paar Blutstropfen.
    Während Groff das Bein von Riess verarztete, schaute Annelyn sich um. Die steinerne Plattform, auf der sie standen, war umsäumt von schwarzen, würfelförmigen Kisten, die wie eine Reihe verrotteter Zähne am Rand des Vorsprungs hervorragten. Er ging an eine der Kisten heran. Ihre rostzerfressene Oberfläche war von winzigen Glasscheiben durchsetzt, hinter denen Annelyn nichts als Staub entdeckte. Auch auf die Löcher, die an mehreren Stellen in die Kisten hineingeschlagen waren, konnte Annelyn sich keinen Reim machen.
    Riess stand wieder auf den Beinen und sah mitgenommen aus. »Ich habe die Fackel fallen lassen«, sagte er.
    »Wir werden andere finden«, entgegnete Groff. »Wir hätten unsere sowieso nicht länger verwenden können.
    Der Fleischbeschaffer würde das Licht sehen. Nein, wir müssen uns im Dunkeln die Graunwege entlangtasten und warten, bis wir das Licht seiner Fackel sehen. Dann werden wir ihm folgen.«
    »Was?« sagte Annelyn. »Aber Groff, das ist doch Wahnsinn. In der Dunkelheit könnten wir Grauns über den Weg laufen.«
    »Vielleicht«, sagte Groff. »Aber wahrscheinlich ist es nicht. Grauns kommen nicht so nahe ans Licht. Sie wagen sich nur selten bis an den Graunwall heran. In meiner Zeit und davor mußten die Jäger noch tiefer hinabsteigen, um auf Beute zu stoßen. Die oberen Gänge sind für gewöhnlich leer. Außerdem brauchen wir nicht weit zu gehen.« Er deutete mit der Axt auf ein großes, schwarzes Tor in der Wand, die an die Plattform anschloß.
    Annelyn zog das Stilett und bewegte sich mit raschen Schritten auf das Tor zu, um nicht wie ein Feigling auszusehen. Wenn ein Graun irgendwo auf ihn lauerte, würde er darauf gefaßt sein.
    Aber nichts regte sich. Im schwachen Licht, das von der gläsernen Kuppel herüberschimmerte, erkannte Annelyn die Umrisse dreier Höhleneingänge, die noch schwärzer schienen als alle Gänge, die sie zuvor durchlaufen hatten.

    »Die linke Höhle führt nach unten«, sagt Groff. »In das Haupttunnelsystem. Der mittlere Gang ist zugemauert und wird nicht mehr benutzt. Wir werden im Schatten der Nische warten und die Brücke im Auge behalten. Wenn der Fleischbeschaffer kommt, folgen wir seinem Fackelschein.«
    Er trieb die beiden Jungen vor sich her, und gemeinsam nahmen sie auf dem staubigen Steinboden Platz und warteten. Das Tor zur Kammer des Letzten Lichts lag wie ein rot schimmerndes Auge vor ihnen. Alles andere war schwarz und still. Groff saß unbeweglich da, die Axt ruhte auf den verschränkten Beinen. Riess rutschte nervös hin und her. Um sicherzugehen, daß ihn kein Graun von hinten anfallen konnte, lehnte sich Annelyn mit dem Rücken zur Wand und hielt das Stilett gezückt.
    Es dauerte nicht lange, und er hörte Geräusche: ein fernes Gemurmel und dumpfes Knurren –

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