Im Herzen der Feuersonne
jetzt ⦠einfach so ⦠da stöhnt sie auf, greift sich ans Herz â und
fällt um. Einfach so.« Kopfschüttelnd sah er in sein Glas, bevor er wieder einen
tiefen Schluck nahm. »Einfach so â¦Â«
Ben legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sie hat
nicht leiden müssen«, sagte er leise. »Ich weiÃ, das ist im Moment nur ein
schwacher Trost, aber mehr kann ich dir und Charlotte nicht sagen. Nur so viel:
Helene war einer der groÃherzigsten Menschen, die mir je begegnet sind.«
»Das stimmt.« Willem nahm noch einen Schluck. Als
Ben ihm das Glas wegnehmen wollte, wehrte er ihn brüsk ab. »Lass mich. Lass mich
allein.«
»Aber wenn der Priester kommt â¦Â«, wagte Ben noch
einzuwenden.
»Ach was, der hilft mir auch nicht weiter. Und
jetzt scher dich raus!« Willem griff wieder zum Weinglas und nahm einen tiefen
Schluck.
»Ich schau später nach dir«, sagte Ben leise. Er
zog die schwere, halbrunde Tür des Weinkellers hinter sich zu und biss sich auf
die Lippen. Er hätte Willem gern beigestanden, aber er sah ein, dass im Moment
kein Wort des Trostes den trauernden Holländer erreicht hätte. Willem de
Havelbeer hatte seine eigene Art, die Trauer zu bewältigen.
Man musste ihm Ruhe und Zeit geben.
Ben blinzelte in die schon schrägstehende Sonne.
Sie würde schon bald hinter dem Gebirgsmassiv des Tafelbergs verschwinden. Er
zögerte einen Augenblick, dann ging er mit langen Schritten hinüber zu seinem
ältesten Weinberg. Die Reihen der Reben begannen ganz dicht beim Gutshof, nur
getrennt von dem kleinen Kräutergarten, den Sina angelegt hatte. Dort, von einer
kleinen Kapelle umgeben, in der Ben oft eine Kerze entzündete, stand die alte
Marienstatue, die Hanne Schneeberger ihm vermacht hatte. Das Bild vermittelte
etwas Tröstliches, und als Ben jetzt davor stehen blieb und die Hände faltete,
kehrte Ruhe in sein Herz ein.
***
Â
»Lange hat sich die Batavische Republik ja
nicht gehalten«, meinte Ben und trat ans Fenster des groÃzügig geschnittenen
Schlafgemachs. Von hier aus hatte er einen weiten Blick in Richtung Osten.
Sanfte Hügelketten, die er in den letzten beiden Jahren mit neuen Rebsorten
bepflanzt hatte, zogen sich bis zum Horizont.
»Hoffen wir, dass es nicht wieder zu
Zwistigkeiten kommt«, meinte Charlotte, die vor ihrem Frisiertisch saà und sich
mit einer silbernen Bürste die langen Haare kämmte.
»Das glaube ich nicht. Jetzt haben sich die
Engländer endgültig hier am Kap eingerichtet, davon bin ich überzeugt.« Ben ging
ein paar Schritte und sah Sebastian, der auf dem Hof hinter Karl herlief. Karl
hielt einen Kreisel in der Hand, und der Dreijährige schrie aus
Leibeskräften.
»Wir müssen auf Sebastian achtgeben«, meinte Ben.
»Er entwickelt mir zu viel Selbstsicherheit. Er ist ja ein ganz niedlicher
Fratz, und wenn er einen anstrahlt, kann man ihm kaum böse sein. Aber dieses
trotzige Verhalten müssen wir ihm beizeiten austreiben.«
Charlotte drehte sich kurz um und winkte ab. »Ach
was, das legt sich wieder. Er ist ein so liebenswertes Kerlchen, da muss man ihm
nachsehen, dass er hin und wieder etwas unbeherrscht ist.«
Ben runzelte die Stirn und schwieg. Ihm war
inzwischen nur zu deutlich bewusst geworden, dass Charlotte ihren jüngsten Sohn
ganz besonders liebte. Zwar war sie auch Karl eine gute Mutter, doch ihre
besondere Zuneigung galt Sebastian.
»Ich schaue einmal in den Weinkeller, ob Thabo
zurechtkommt. In einer Stunde können wir fahren.«
Charlotte legte die Bürste zur Seite. »Schau noch
einmal nach den Jungen, ja? Sie haben noch kein Mittagessen gehabt. Josy weiÃ
aber Bescheid, was sie essen sollen.«
»Ist recht, meine Liebe.« Er ging noch einmal zu
ihr und küsste sie auf den blonden Scheitel, dann umfasste er ihren leicht
gewölbten Leib. »Fühlst du dich auch wirklich gut genug, um mit nach Groot Constantia zu fahren? Die Einladung ist nicht sehr
wichtig, wir könnten â¦Â«
»Nichts da«, fiel Charlotte ihm ins Wort. »Wir
fahren! Ich freue mich seit Tagen darauf. Die neue Besitzerfamilie ist
ausgesprochen nett; mit der jungen Frau verstehe ich mich ausgezeichnet.«
»Wie du meinst.« Ein letzter prüfender Blick in
ihr Gesicht, das ihm heute recht blass vorkam. Doch er sagte nichts, er wollte
die Unruhe, die er plötzlich empfand, nicht auf Charlotte
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