Im Herzen der Feuersonne
verschlossen war. »Er ist kein guter Junge. Er
bringt Tränen. Viele, viele Tränen â¦Â«
***
Â
»Es ist einfach zu schade, dass wir keine
eigene Zeitung haben.« Ben faltete die schon leicht vergilbten Blätter einer
alten holländischen Zeitung zusammen, auf die er vorgestern gestoÃen war. »Wir
leben hier wirklich am Ende der Welt. Alles, was politisch interessant ist,
erfahren wir erst mit groÃer Verzögerung.«
»Wovon sprichst du genau?« Charlotte, die gerade
ein kleines Häubchen für Madeleine bestickte, sah von der Handarbeit auf.
»Vom Wiener Kongress!«
»Und â was ist das?« Fragend sah Charlotte ihn
an.
»Eine Versammlung der wichtigsten Staatsmänner
Europas. Seit Napoleon gestürzt wurde, sind die Staaten in unserer alten Heimat
nicht mehr so aufgeteilt, wie wir sie noch kennen. Und jetzt werden sie, denke
ich, noch mal anders geordnet.« Er überflog den Artikel, es war nicht einfach
für ihn, das Holländische zu lesen. »Ja, hier steht es: Fürst Metternich â das
ist der österreichische Fürst, der diese Versammlung leitet â hat erklärt, dass
sein Land die oberrheinischen Gebiete und auch die Niederlande verloren hat.
PreuÃen hat jetzt die Rheinprovinzen unter seiner Regentschaft.« Er zuckte mit
den Schultern. »Ein Glück, dass das mein Vater nicht mehr erlebt hat. Er mochte
den PreuÃenkönig absolut nicht!«
»Und was heiÃt das für uns?« Mit einer
Sorgenfalte auf der Stirn sah Charlotte ihren Mann an.
»Im Grunde heiÃt das, dass alles beim Alten
bleibt. Der Wiener Kongress bestätigt GroÃbritannien seinen überseeischen
Kolonialbesitz. Damit ist das Kapland endgültig eine Kolonie des Britischen
Empires.«
»Dann ist ja alles gut.« Charlotte atmete auf.
»Kommst du mit nach drauÃen? Auf den Schreck hin möchte ich ein wenig an die
frische Luft.«
»Aber mein Schatz! Die Zeitung ist schon einige
Wochen alt. Es wird keine Katastrophen hier in der Region geben. Ich sagte ja:
Es wäre angenehm, eine eigene Zeitung zu haben und am Weltgeschehen intensiver
teilhaben zu können.« Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort: »Ich werde
dieses Thema bei einem der nächsten Zusammentreffen mit deinem Vater und mit
einigen anderen wichtigen Herren der Regierung ansprechen.«
Liebevoll legte seine Frau ihm die Hand auf den
Arm. »Hast du noch nicht genug Arbeit mit Hopeland ?
Du bist immer noch voller Pläne und Enthusiasmus.«
Ben lächelte. »Ich bin eben noch kein alter
Mann!«
»Ich weiÃ.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen
und küsste ihn zärtlich.
An diesem Sonntag im Oktober 1815 war es bereits wundervoll warm. Die Arbeiten im
Weinberg ruhten, alle, die in Ben Ruhlands Diensten standen, konnten ihre freie
Zeit nach eigenem Gutdünken genieÃen.
Sina und Thabo saÃen auf der kleinen, mit einem
Holzgeländer vom anderen Teil des Gartens abgetrennten Terrasse. Thabo schnitzte
an einer neuen Pfeife, wie er sie sich ganz selten gönnte, Sina hielt eine
Handarbeit auf dem SchoÃ. Mit schräggelegtem Kopf sah sie hinüber zu den
Stallungen; von dort drangen streitende Stimmen herüber â eine dunkle, ruhige
und eine Knabenstimme, die immer schriller wurde.
»Ich geh mal hinüber und sehe nach, was los ist.«
Schon hatte sie die kleine Decke, an der sie stickte, zur Seite gelegt und stand
auf.
»Nein, lass mal.« Thabo streckte die Hand aus und
zog sie wieder auf ihren Stuhl. »Da drüben kommt gerade Charlotte mit Ben aus
dem Haus. Soll sie doch einmal sehen, wie ihr kleiner Prinz sich benimmt! Dann
wird sie überlegen, ob sie ihm weiter alles durchgehen lässt.« Bitterkeit
schwang in seinen Worten mit.
»Aber mein Will â¦Â«
»Dein Sohn ist erwachsen«, sagte Thabo
eindringlich. »Mit zwanzig Jahren weià er, wie er sich zu verhalten hat. Auch
Sebastian gegenüber.«
Sina nickte. Ihr Mann hatte ja recht! Thabo
liebte Will wie einen eigenen Sohn, und der junge Mann war ihm herzlich zugetan.
Oft saÃen sie beisammen und fachsimpelten. Ãber die Weinherstellung ebenso
eifrig wie über Pferdezucht und über die Zukunft der Schwarzen im Land. Thabo
war sich sicher, dass es schon bald zu Aufständen kommen würde, denn die Buren,
die jetzt keine allzu groÃe Macht mehr besaÃen, hatten viele ihrer Sklaven
freigelassen.
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