Im Herzen der Feuersonne
geworden, doch offensichtlich hatte niemand es für nötig befunden,
einzugreifen. Ben sah den Frauen, die elegant gekleidet waren, mit ihren
Sonnenschirmen spielten und jetzt rasch weitergingen, kopfschüttelnd nach, dann
wandte er sich wieder an Sina. »Wir sollten sehen, dass wir von hier wegkommen.
Die Frage ist nur â wohin?«
» Your house �«
Fragend sah die junge Frau ihn an.
» No house ⦠ich habe
kein Haus«, versuchte er ihr verständlich zu machen. Als er sie nun zum ersten
Mal richtig ansah, musste er sich eingestehen, dass sie sehr hübsch war. Ihre
Haut glänzte mokkafarben, ihr Mund hatte eine sanft geschwungene Form. »Dein
Name ist Sina, nicht wahr?«, fragte er, denn er erinnerte sich daran, dass der
Hinkende sie so genannt hatte.
»Ja, Master . Und das
ist Will«, antwortete sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Er ist fünf
und kann schon ein bisschen arbeiten.« Sie schob den Jungen ein Stückchen vor,
so als sei der Kleine ein Stück Vieh, das begutachtet werden sollte.
»Dafür ist er doch noch viel zu jung.« Ben
schüttelte den Kopf.
Der kleine Junge begann zu weinen. Er verstand
ganz offensichtlich nicht, was hier geschah. Ãngstlich versteckte er das runde
Gesichtchen, in dem die Augen so groà und glänzend wirkten wie Brombeeren, in
den Rockfalten der Mutter.
»Wir sollten gehen«, wiederholte Ben.
»Und â wohin? Du hast Geld, aber keinen Platz, wo
du schläfst?« Sina sah ihn ungläubig an.
»Ich bin eben vom Schiff dort drüben gekommen.
Und jetzt will ich weiter ins Hinterland. Da habe ich ein Stück Land geerbt. Es
muss irgendwo östlich von hier liegen.«
Sina wurde lebhafter. »Wir suchen zusammen. Sina
kennt sich aus, ist viel herumgekommen.«
Ben wollte lieber nicht genau wissen, wie viel
sie gesehen hatte. Er war sich auch so ziemlich sicher, dass Sina schon an
verschiedenen Orten als Sklavin hatte arbeiten müssen. Ihr kleiner Sohn hatte
eine hellere Hautfarbe als seine Mutter â wahrscheinlich hatte irgendwann einmal
einer ihrer Herren sie zu sich ins Bett geholt.
»Kannst du mir den Weg zeigen? Ich muss in
Richtung Nordosten.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Ich suche ein bestimmtes
Land. Der Boden muss für den Weinanbau geeignet sein.«
»Ja, komm.« Schon wandte sie sich zum Gehen.
»Warte! Ich muss dich erst noch etwas
fragen.«
Wieder flackerte Angst in den groÃen dunklen
Augen auf.
Ben sah es und hob die Hände zu einer
beschwichtigenden Geste. »Ich will nur wissen, wie lange es dauert, bis wir Cape
Town hinter uns gelassen haben. Die Stadt ist gröÃer, als ich gedacht habe.«
»Das hier ist Simonâs Town. Cape Town liegt ein
Stück weiter in die Richtung.« Sie wies nach Norden. Der Anflug eines Lächelns
war auf Sinas Gesicht zu erkennen. »Warum weiÃt du das nicht, Seemann?«
Ben zuckte leicht mit den Schultern. »Weil ich
nie eine genaue Karte gesehen habe. Es gibt nur eine Zeichnung meines
GroÃvaters, die hab ich immer vor Augen. Aber da ist das Kap nur in groben
Umrissen eingezeichnet. Und mein Kapitän hat nie ein Wort darüber verloren, dass
der Hafen nicht direkt zu Kapstadt gehört. Oder ich hab nicht richtig
hingehört.« Er lächelte verlegen. »Wie weit ist es von hier bis in die
Stadt?«
»Wenn man zu Fuà geht, ist es fast ein
Tagesmarsch. Mit dem Pferdefuhrwerk drei Stunden.«
»Du weiÃt viel, Sina.« Er lächelte sie freundlich
an. »Und du sprichst recht gut Englisch. Ich hab lange gebraucht, um es halbwegs
zu lernen. Ich kann auf dem Gut Hilfe gebrauchen, aber ich kann dir nur ein Dach
über dem Kopf bieten und etwas zu essen. Willst du trotzdem mit mir kommen?«
»Und Will?« Sie wies auf den kleinen Jungen.
»Darf er bei mir bleiben?«
Er sah sie verwundert an. »Natürlich, ein Kind
gehört doch zur Mutter!«
Sina erwiderte nichts, für einen kurzen Moment
sah sie unschlüssig aus, so als überlegte sie, ob sie nochmals zu fliehen
versuchen sollte.
»Ich habe Rebstöcke mitgebracht, grapevines «, erklärte Ben schnell. Inzwischen war es
früher Nachmittag. »Die muss ich von Bord holen, und dafür brauchen wir ein
Fuhrwerk.«
Sina nickte nur bedächtig.
Ben überlegte. Sollte er jetzt schon versuchen,
ein Pferdefuhrwerk zu mieten, ohne zu wissen, wie weit es bis
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