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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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Schiff holen, bevor der
Kapitän mir die Ladung ins Meer kippt.« Er gab der Alten die Hand. »Wenn ich die
Pferde zurückbringe, schaffe ich hier Ordnung.«
    Â»Komm, ich helf dir noch beim Anspannen. Mich
kennen die Tiere.« Hanne hantierte sehr geschickt mit dem Geschirr. Die beiden
Pferde, entsetzlich dürre Braune, ließen sich willig anspannen. Dann gab sie dem
ersten Gaul einen Klaps auf die Hinterhand. »Los, macht, dass ihr
fortkommt!«
    Ben sprang auf den Bock und griff nach den
Zügeln, die hart in seiner Hand lagen. Das Leder war lange nicht gepflegt
worden, so wie das ganze Gespann einen jämmerlichen Eindruck machte. Aber es war
wenigstens ein brauchbares Fuhrwerk, dafür musste er schon dankbar sein.
    Die beiden Braunen, von denen einer eine
sternförmige Blesse auf der Stirn hatte, schienen froh zu sein, sich endlich
bewegen zu können, denn sie verfielen schon bald in einen raschen Trab, ohne
dass Ben irgendwelche Hilfen hätte geben müssen.
    ***

 
    Sina und Will warteten im Schutz einer schmalen
Gasse in der Nähe der Stelle, wo er sie verlassen hatte. Will hatte sich auf den
Boden gehockt und beobachtete einige bläulich schillernde Mistkäfer, die er in
einem Dunghaufen entdeckt hatte. Den Kleinen schien der Unrat ringsum nicht zu
stören, er war ganz versunken.
    Â»He du, nimm den Bastard von der Straße!«, rief
ein elegant gekleideter Engländer in einem dunkelblauen Seidenanzug, der gerade
aus einem der Wirtshäuser kam. Er war sichtlich angetrunken und hielt in jedem
Arm eine Hure. Die Mädchen, gerade mal sechzehn, schätzte Ben, lachten albern.
Die Blonde trug einen orangefarbenen Rock, den sie an der linken Seite
hochgezogen hatte, so dass man die Unterröcke sehen konnte. Ihre Freundin,
klein, zierlich und mit feuerrotem Haar, versuchte, Will einen Fußtritt zu
versetzen, als sie an ihm vorbeiging, wobei auch sie die Röcke unzüchtig
hochhob.
    Â»Lass das!« Ben trat ihr entgegen. »Weg von
meinem Eigentum!« Es war ihm selbst nicht geheuer, was er da sagte. Konnte,
durfte man einen anderen Menschen als Eigentum bezeichnen? So wie er
aufgewachsen war, konnte er sich das nicht vorstellen, auch wenn er natürlich
wusste, dass es überall Sklavenhandel gab. Gerade in Afrika verschwanden seit
weit über hundert Jahren immer mehr Menschen, meist ohne eine Spur zu
hinterlassen. Ben hatte gehört, dass viele von ihnen in die Neue Welt gebracht
wurden. Was dort genau mit ihnen geschah, wusste er nicht. Auf der Parisienne war er einmal Zeuge eines Gesprächs
geworden, das der Kapitän mit seinem Zweiten Offizier geführt hatte. Es war um
die einträglichen Geschäfte gegangen, die mit den Sklaven gemacht werden
konnten.
    Â»Das waren noch Zeiten, damals in Nantes«, hatte
Kapitän Bertrand gesagt. »Mein Vater war viermal Segelmeister auf einem
Sklavenschiff. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, was da los war – und wie
viel die Händler verdient haben an ihrer lebenden Fracht.«
    Â»Und sein Gewissen?«, hatte Henry Gardener
gefragt.
    Â»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass der
Schiffseigner reich geworden ist. Mein Vater hat von dem Geld nicht viel
gesehen.«
    Â»Ich bin nicht sicher, ob ich das Leid der
Menschen, die aus ihrer Heimat geraubt und verschachert werden wie ein Stück
Vieh, mitansehen könnte«, hatte Gardener laut überlegt. »Familien werden
auseinandergerissen, die Leute werden geschunden. Und viele sterben auf solchen
Transporten, das weiß man ja …«
    Â»Ich transportiere auch lieber Getreide, Stoffe
und irgendwelche Gewürze.« Der Kapitän hatte ungeniert gelacht. »Die brauchen
weder was zu essen, noch proben sie den Aufstand. Mir sind Ruhe und Sicherheit
an Bord wichtiger als ein paar Louis d’or mehr oder weniger am Schluss der
Fahrt.«
    An diese Unterhaltung, die er zufällig
mitangehört hatte, musste Ben jetzt wieder denken, als er die Furcht in Sinas
Gesicht sah.
    Â»Kommt, steigt auf«, forderte er sie auf. Und als
sie zögerte, streckte er den Arm aus, um ihr zu helfen.
    Als er die Hand der jungen Schwarzen ergriff, die
ihren Jungen auf den Arm genommen hatte, spürte er, dass die rauen, von harter
Arbeit schwieligen Finger zitterten. Wie viel Angst musste diese Frau
ausgestanden haben! Sina war noch jung, er schätzte, dass sie die Mitte ihres
dritten Lebensjahrzehnts noch nicht erreicht hatte. Er

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