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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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Augen kurz zusammenkneifen, denn das helle Tageslicht blendete noch
immer, wenn man aus der dämmrigen Gaststube trat.
    Draußen war Wind aufgekommen, er zerrte an Hannes
grauen Haarsträhnen, riss an Bens Joppe. Er zog sie sich fester um den Körper
und sah zum Himmel, an dem wilde Wolkenfetzen trieben. Die wenigen Sträucher in
den Hinterhöfen bogen ihre Zweige fast zur Erde.
    Â»Der Wind ist gefährlich«, erklärte Hanne. »Nimm
dich in Acht davor. Er kommt ganz plötzlich und ist gar nicht gut für die Reben.
Hoffe, dein Gut ist im Schatten des Tafelbergs. Oder von einem anderen Hügel.
Das ist wichtig, glaub mir. Die drei großen Güter sind alle so angelegt, dass
die Hänge windgeschützt sind.«
    Ben wusste, dass sie recht hatte. Wind und Regen
zur falschen Jahreszeit konnten die ganze Ernte vernichten; das galt für die
Getreideernte und für die Obsternte ebenso wie für die Weinlese. Wenn es kurz
vorher regnete, wenn es gar zu kalt wurde, war das für den Winzer eine
Katastrophe. Er konnte sich erinnern, dass es vor mehr als zehn Jahren daheim
eine schlechte Lese gegeben hatte, weil Unwetter die meisten Weintrauben
vernichtet hatten. Damals hatten viele der Nachbarn große Not gelitten, denn es
waren noch drei kühle, viel zu nasse Jahre gefolgt.
    Hanne führte ihn durch enge Gassen, in deren
Mitte ein kleines schmutziges Rinnsal lief. Die Häuser waren meist
eingeschossig; nur drei Gebäude besaßen kleine Aufbauten mit Schmuckgiebeln.
Doch auch die waren bereits von Wind und Wetter beschädigt. Es war gut zu
erkennen, dass hier Armut herrschte und dass niemand Geld hatte, sein Heim
wohnlich zu gestalten. Alle waren froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu
haben.
    Auch das Haus, auf das Hanne nun zuging, war
klein und nur an der Vorderseite mit weißem Kalk verputzt. Ein mit groben
Steinen gepflasterter Weg führte an der Seite zu einem recht großen Schuppen im
Hinterhof. Hanne klopfte an eine Tür, von der der grüne Anstrich bereits
abblätterte. »Tom, mach auf! Ich brauch deine Gäule!«
    Â»Was ’n los?« Die Tür wurde mit einem Ruck
aufgerissen. Ein vierschrötiger Kerl mit feuerroten Haaren und einer groben
Hakennase füllte die Öffnung fast ganz aus. » Damned ,
Hanne, was willst du?«
    Â»Deine Pferde. Leih mir für zwei Tage dein
Gespann.«
    Â»Warum sollte ich das tun?« Der Mann, dessen
Aussehen ebenso wie seine Aussprache deutlich seine irische Herkunft verrieten,
sah argwöhnisch von Hanne zu Ben.
    Â»Weil du dann einen ganzen Monat lang bei mir
essen kannst.«
    Â»Essen nennt sie den Fraß!« Er grinste. »Aber von
mir aus. Hab im Moment sowieso nichts zu tun.«
    Â»Weil du ein Faulpelz bist. Wenn das deine Eva
wüsste …«
    Â»Die ist aber nicht mehr.« Seine Stimme bekam
einen rauen Klang, und er machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen.
    Hanne ließ sich von seiner ablehnenden Haltung
nicht irremachen. »Schon gut. Also – kann ich die Gäule haben?«
    Â»Von mir aus. Vergiss die Bezahlung nicht.« Schon
schlug er die Tür wieder zu.
    Ben hatte das Gespräch mit einiger Verwunderung
angehört. Fragend sah er Hanne an. »Wer war das?«
    Â»Tom. Ein Ire. Netter Kerl. War er zumindest mal.
Aber vor einigen Monaten ist seine Frau am Kindbettfieber gestorben. Und das
Kleine mit ihr. Seitdem säuft er nur noch. Vernachlässigt sein Fuhrgeschäft,
verkommt immer mehr. Armer Kerl.« Sie zuckte mit den Schultern. »Seine Eva kam
auch aus Deutschland. Aus dem Norden. Hab sie gut gekannt. Schade um sie.«
Während sie das sagte, war sie halb ums Haus herumgegangen und zog jetzt eine
Stalltür auf, die elend in den Angeln quietschte. »Hier, nimm dir, was du
brauchst. Kannst ruhig ein paar Tage wegbleiben. Tom wird die Tiere nicht
vermissen.« Sie sah sich kurz in dem aus grauen Steinquadern errichteten Stall
um. Das Stroh der Pferde war durchweicht, es stank jämmerlich. Futter war keins
mehr in den Krippen, und auch rechts vom Eingang, wo normalerweise Stroh und Heu
gelagert wurden, konnte man schon den nackten Boden sehen.
    Â»Ich werd mal kurz ausmisten. Und die Pferde
brauchen was zu fressen.« Ben griff schon nach einer Forke, dann fiel ihm Sina
ein, die sicher voller Angst auf ihn wartete. »Das geht jetzt nicht. Die Gäule
müssen sich gedulden. Ich muss los, meine Weinstöcke vom

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