Im Herzen der Feuersonne
windschiefen
Holzbauten aus der Zeit der Stadtgründung verschwanden und machten mehrstöckigen
Prachtbauten Platz, die mit ihren stuckverzierten Fassaden vergessen lieÃen,
dass man sich am Ende der Welt befand.
Die StraÃen waren breit, einige davon bereits
gepflastert. Zwei Kutschen konnten leicht aneinander vorbeifahren; sogar für die
breiten Ochsenkarren war Platz. Wie er erstaunt feststellte, gab es in der
StraÃe, in der sich auch die Lamberts Bank befand, schon wieder neue Geschäfte.
Aus einer Bäckerei drangen verlockende Düfte, und Bens Magen meldete sich mit
leisem Knurren, als er das frische Gebäck sah, das eine dralle Bäckersfrau
gerade in die Auslage legte. Ein Metzger pries lautstark das aus den
nördlicheren Landesteilen eingetroffene Rind- und Lammfleisch an. Darüber hinaus
gab es Tuchhändler, Schneider, einen Barbier, der sich rühmte, aus England zu
stammen und dort die Mitglieder des Königshauses frisiert zu haben. An ihm
vorbei zogen ärmliche StraÃenhändler mit Bastkörben und klapprigen Karren.
Ben lenkte sein Gespann an den StraÃenrand, als
plötzlich ein paar englische Dragoner heranpreschten. Sie zogen sofort die
Blicke aller Umstehenden auf sich. Die rot-weiÃen Uniformen, an denen die
Goldknöpfe blitzten, waren tadellos sauber, was darauf schlieÃen lieÃ, dass die
Soldaten soeben aus der Garnison kamen. Die schwarzen Gamaschen der Männer waren
kaum mit Staub bedeckt, die kurzen Stiefel darunter blitzblank. Einer der
Soldaten, den die goldenen Litzen am Kragen und die Epauletten auf den Schultern
als Offizier auswiesen, salutierte und zügelte in dem Moment seinen schwarzen
Wallach, als er dicht an Bens Fuhrwerk herangekommen war.
Für einen Moment dachte der junge Winzer, dass
der Soldat auf ihn aufmerksam geworden wäre, dann erkannte er, dass dieser sein
Augenmerk auf eine junge Frau und deren ältere Begleiterin gerichtet hatte, die
soeben einen neu eröffneten Tuchladen verlieÃen. Die ältere Dame, ganz in
dunkelgraue Seide gekleidet, öffnete gleich ihren Sonnenschirm und schützte sich
damit. Der Stoff des Schirms passte genau zu ihrem Kleid, das hochgeschlossen
war und ihre schlanke Figur betonte. Nur am Hals war eine kleine doppelte
Spitzenrüsche angebracht, in deren Mitte eine Brosche mit graugrün schimmernden
Südseeperlen prangte. Der Rock bauschte sich in zwei Lagen bis zum Boden; kleine
Spitzeneinsätze, die zusätzliche Weite gaben, waren als Zierde eingearbeitet
worden. Am Sonnenschirm wiederholte sich diese Spitzenverzierung, eine kostbare
Klöppelarbeit aus Flandern.
Bens Herz begann, immer stärker zu pochen, als er
nun in der Jüngeren die Dame aus der Kutsche erkannte, der er an seinem ersten
Tag hier begegnet war. Wie zart ihre Figur war! Die Haut schien aus Porzellan zu
sein, sie war hell und makellos. Im Gegensatz zu ihrer Begleiterin, deren Haupt
eine graue Spitzendormeuse zierte, eine in zwölf Falten gelegte edle Haube, war
ihr Haar unbedeckt, so dass Ben den goldenen Schimmer bewundern konnte. Heute
trug die junge Frau ein hellgelbes Kleid, das unterhalb der Brust von einem
bestickten roten Band gehalten wurde. Der Stoff fiel in weichen Bahnen bis zum
Boden. Wie magisch wurde Bens Blick von ihren rosigen Lippen, vom sanften
Schwung ihres Halses angezogen, und er musste all seine Willenskraft aufbieten,
um seinen Blick nicht zu lange auf ihrem Dekolleté verweilen zu lassen.
Jetzt neigte die junge Frau leicht den Kopf, um
den Offizier zu grüÃen. Sie hatte das blonde Haar im Nacken zu einem Knoten
geschlungen, ein rotes Seidenband war apart durch den Chignon hindurchgezogen
und an der linken Seite mit einem Perlenkamm festgesteckt worden. Die perfekte
Linie des Halses wurde dadurch noch unterstrichen, und der junge Winzer konnte
den Blick kaum abwenden. Er sah, dass die Schöne ihren gelben Spitzenschirm, der
die Haut gegen die hellen Strahlen schützen sollte, erst aufklappte, dann mit
einer schwungvollen Bewegung aber wieder schloss. Sie plauderte mit dem
Offizier, lächelte ihn an und neigte zustimmend den Kopf, als er etwas
sagte.
Bei Gott, ich würde ein Fass meines besten Weins
dafür geben, wenn ich an der Stelle dieses Soldaten wäre, dachte Ben. Aber wie
sollte er jemals die Bekanntschaft einer so vornehmen Dame machen? Welten lagen
zwischen ihnen, sie scherte sich sicher nicht um einen einfachen Winzer. Ben
seufzte. Seine
Weitere Kostenlose Bücher