Im Herzen der Feuersonne
ich
diese Mistkerle kriege â¦Â«
Mit langen Schritten lief er zurück zum Haus und
holte Sina, um ihr von der Tat zu berichten.
»Wir müssen sie daran hindern!« Sina ballte eine
ihrer kleinen Hände zur Faust.
»Ich verspreche dir, das war das letzte Mal!«,
schwor Ben. »Ich werde die Mistkerle stellen. Und dann Gnade ihnen Gott!« Er
schob sich den Strohhut in den Nacken. »Kannst du mit einem Gewehr umgehen,
Sina?«
Die junge Schwarze schüttelte den Kopf und
verbarg ihre Hände hinter dem Rücken. »Nicht schieÃen ⦠niemals!«
»Du wirst es lernen. Sobald ich zurück bin.«
Sina sah ihm nach, als er davonritt. Auf einmal
waren all die grauenvollen Bilder der Vergangenheit wieder da: Ihr erster Herr
hatte sie, als sie fast noch ein Kind war, mit Gewalt genommen, weil er fest
geglaubt hatte, nur Jungfrauen würden ihn befriedigen können. Dann die Arbeit
auf der Farm weiter im Osten. Es waren Holländer, die dort ihre Sklaven
ausbeuteten bis aufs Blut. Danach war sie, halb verhungert und schwach, zu Simon
van Houten und dessen Sohn gekommen. Der pockennarbige Simon war brutal und
sadistisch gewesen, und sein Sohn war nicht besser, nein, eher noch grausamer.
Peer hatte sie ⦠Sie vergrub das Gesicht für einen Moment in den Händen, dann
glitt ihr Blick zu Will. Nein, der Junge konnte nichts dafür. Er sollte nie
erfahren, wer sein Vater war und was er ihr angetan hatte in jener Nacht, da
Will gezeugt worden war.
Sina sah sich um, doch weit und breit war keine
Menschenseele zu sehen. Schnell verschwand sie wieder in der Hütte. Ob sie sich
im Haus verbergen sollte, bis Ben zurück war? Als sie die Axt sah, die in einer
Ecke stand, griff sie danach, umklammerte den rauen Holzstiel so fest, dass ihre
Knöchel hell hervortraten.
»Muss schieÃen lernen«, murmelte sie vor sich
hin. »Ich muss â¦Â« Immer wieder kam es vor, dass Gesetzlose die Gegend unsicher
machten und sich an wehrlosen schwarzen Frauen vergingen. Wenn denen nicht so
viel passierte, dass sie arbeitsunfähig waren, kümmerte es die Herren, die sie
gekauft hatten, nur selten, was sie erlitten hatten. Von diesem Leid schien Ben
nichts zu ahnen. Er dachte wohl nur an die Männer, die seinen Wasserkanal
zerstört hatten. Aber Sina wusste es besser, sie wusste, was die Menschen
einander antun konnten!
Sie nahm sich vor, dass sie sich, wenn Ben fort
war, immer in der Nähe des Hauses aufhalten würde, dort, wo die Axt war. Und die
Machete. In der Hütte, die inzwischen ein wenig wohnlicher eingerichtet war, gab
es vorerst noch genug zu tun. Ben hatte eine kleine Kammer vom Hauptraum
abgetrennt, in der Sina und Will schlafen konnten.
»Es ist schicklicher so«, hatte er erklärt. »Wenn
die Leute erfahren, dass wir in einem Raum zusammen nächtigen, das gibt nur
Ãrger.«
Sina verstand seine Bedenken, und sie wollte
nicht, dass er deswegen Schwierigkeiten bekam. Bens Ruf würde leiden, wenn sich
herumsprach, dass er mit einer Frau, noch dazu mit einer ehemaligen Sklavin,
zusammenlebte.
Sina dachte an seine warmen Augen und musste sich
eingestehen, dass er ihr nicht gleichgültig war. Zum ersten Mal in ihrem Leben
hatte ein Herr sie mit Anstand behandelt, hatte ihr nie das Gefühl gegeben, dass
sie wertlos oder lästig war. Sie spürte eine starke Zuneigung zu ihm. Wie anders
war es ihr zuvor ergangen! Wenn sie an Simon und Peer dachte, wurde ihr ganz
elend. Wie oft hatten die beiden sie in ihr Bett gezwungen! Manchmal hatten es
beide gleichzeitig mit ihr getrieben, sie erniedrigt und gedemütigt.
Auch bei dem Herrn, bei dem sie einige Jahre
zuvor mit ihrer Mutter gelebt hatte, war es rau zugegangen. Sina hatte schon als
Mädchen von sechs Jahren auf den Feldern und im Weinberg arbeiten müssen. Sie
hatte Unkraut gejätet, Käfer von den Weinblättern abgeklaubt, der Sklavin in der
Küche beim Zubereiten des Essens geholfen, war geschunden und misshandelt
worden.
Und dann, kaum dass sie vom Kind zur Frau
geworden war, hatte erst der Farmer, dann sein Verwalter sie in sein Bett
gezwungen. Wie einsam hatte sie sich gefühlt, wie hilflos. Sina rann ein kalter
Schauer über den Rücken, als sie daran zurückdachte. Es hatte keine
Menschenseele gegeben, die ihr hätte helfen können. Ihre Mutter hatte das Leid
der Tochter mit Tränen in den Augen mitansehen müssen, aber sie hatte nichts
dagegen
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