Im Herzen der Feuersonne
Pferde, deren Fell inzwischen glänzte und die wohlgenährt und
kräftig aussahen, schnaubten unruhig, und so lenkte Ben sein Gefährt weiter die
StraÃe hinunter. In einer kleinen Seitengasse gab es einen einfachen
Gemischtwarenladen, hier kaufte er, was in seinem bescheidenen Haushalt
gebraucht wurde. Viel war es nicht, er musste sparen und lebte höchst
bescheiden. Aber er hatte ein Ziel vor Augen. Ein Ziel, dem er sich seit vier
Jahren ganz verschrieben hatte.
In einem Regal bemerkte er bunte Tücher aus
echter chinesischer Seide. So jedenfalls pries der Ladenbesitzer sie an. Ein
Tuch, in hellem Grün mit gelben Fransen, gefiel ihm gut, und er kaufte es aus
einer Laune heraus für Sina. Sie besaà gar nichts Schönes, und nachdem er
gesehen hatte, wie herausgeputzt die Frauenzimmer hier in der Stadt daherkamen,
fiel ihm die Armseligkeit, in der Sina ihr Dasein fristen musste, besonders ins
Auge.
Als er das Tuch zu den anderen Sachen legte,
schoss ihm durch den Kopf: Du bist wohl der einzige WeiÃe weit und breit, der
einer Sklavin ein Geschenk macht. Aber Sina war in seinen Augen keine Sklavin,
sie war ihm eine groÃe Hilfe auf seinem Gut. Sie arbeitete bis zur Erschöpfung,
ohne zu klagen, als sei es ihr eigener Grund und Boden, den sie bestellte.
Steinig war Bens Besitz im Osten; wenn er hier neue Reben anpflanzen wollte,
musste er Sorge tragen, dass der Untergrund gut vorbereitet war. Der zum Teil
sandige Boden weiter nordöstlich, hart und voller Unkraut, musste aufgelockert
und bewässert werden â wie er dieses Problem auf Dauer lösen sollte, daran
mochte der junge Winzer noch nicht denken, zumal er seit heute wusste, dass er
einen Feind in der Gegend hatte, der ihm sein Wasser streitig machte.
Schon hatte er sein Gespann wieder erreicht, als
er sich ganz plötzlich anders entschied und mit langen Schritten zur HauptstraÃe
hinüberging, um sich das bunte Treiben noch eine Weile anzusehen. Es herrschte
lebhafter Betrieb allenthalben; die StraÃen wurden von vornehmen Kutschen ebenso
wie von Lastfuhrwerken beherrscht. Einzelne Reiter kreuzten in gemäÃigtem Trab
seinen Weg. Am StraÃenrand flanierten elegant gekleidete Damen, entweder in
Begleitung von Offizieren in rot-weiÃen Ausgehuniformen oder von nicht minder
vornehmen Herren, die zur schmalen Seidenhose, die kurz unterm Knie endete,
einen langen Rock aus Brokatseide oder aus edlem Tuch trugen. Die
Schnallenschuhe glänzten in braunem oder schwarzem Leder, die Gamaschen waren
aus Seidenstrick oder feinster Baumwolle.
Aber auch die einfachen Leute schienen sich heute
auf der StraÃe versammelt zu haben. Was war nur los?
Ben fragte einen Herrn, der mit einer Gruppe von
Männern vor einem Laden stand, und erfuhr, dass genau an diesem Tag Südafrika
ein weiterer Kolonialstaat des Englischen Königreiches geworden war. Die
Vorherrschaft der Franzosen und Holländer war nun offiziell zu Ende. Ein Grund
zum Feiern war dies für die Bevölkerung wohl weniger, doch es war anscheinend
ein Vorwand, um auszugehen, sich zusammenzufinden und die neue politische Lage
zu diskutieren. In einigen der vornehmen Stadthäuser wurden offenbar auch Feste
gefeiert â in erster Linie natürlich bei den Engländern, die in der Kapkolonie
sesshaft geworden waren; auch darüber schwatzte man auf der StraÃe. Ben suchte
das Gewimmel mit den Augen ab. So flüchtig die Begegnung vorhin auch gewesen
sein mochte â ein zartes Antlitz hatte sich in sein Herz gebrannt. Hin und
wieder glaubte er sie zu entdecken, und dann war es doch ein anderes
Gesicht.
Als er schon aufgeben und zu seiner Kutsche
zurückgehen wollte, sah er sie: Sie trat mit ihrer Begleiterin aus einem
eleganten Wäschegeschäft. In der Linken trug sie ein schmales Päckchen, das
sorgfältig in braunes Papier eingeschlagen war. Ihre Rechte, in einem hellen
Handschuh steckend, hielt den zarten Sonnenschirm. Gemeinsam mit ihrer in Grau
gekleideten Begleiterin überquerte die junge Frau die StraÃe. Bens Herzschlag
stockte, als er das herrenlose Pferd bemerkte, das genau auf die beiden Frauen
zupreschte. Der Gaul galoppierte wie rasend dahin und warf jedes Hindernis um.
Zwei Abfallkübel, die die Besitzerin eines kleinen Ladens an den StraÃenrand
gestellt hatte, den kleinen Karren eines Händlers, woraufhin Rüben und Knollen
über die StraÃe rollten. Die ältere der Damen schrie auf, raffte die
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