Im Herzen der Feuersonne
beiden alten Gäule
dampften, gingen nur noch im Schritt. Die Nüstern waren gebläht, weiÃe
Schaumflocken tropften ihnen aus den Mäulern. Sie waren an der Grenze zu
Kapstadt angekommen, der Stadt, die sich in die Ebene unter dem über tausend
Meter hohen riesigen Felsmassiv schmiegte.
In einer alten Zeitung â der Gemischtwarenhändler
hatte ihm einige der Einkäufe darin eingewickelt â hatte Ben gelesen, dass der
Wolkenteppich, der den Berg hin und wieder einhüllte, tablecloth genannt wurde. Es waren feuchte Luftmassen, die vom
offenen Meer ins Landesinnere drangen und für die der Berg ein Hindernis
darstellte. Die Luft stieg auf, kühlte in höheren Lagen ab und bildete diese
besondere Wolkenformation.
Ben blickte hinüber zu dem Berg, der von diesem
»Tischtuch« aus Wolken verdeckt war, und seufzte. »Dann ist in der Stadt wieder
der Teufel los«, murmelte er, denn er hatte inzwischen gelernt, dass dieses
Klima vielen Menschen auf die Stimmung schlug. Sie waren gereizt, manche gar
streitlustig. Von der alten Suppen-Hanne wusste Ben, dass es bei solchem Wetter
häufig zu Schlägereien kam, die blutig endeten. Aber â was bedeutete hier schon
ein Menschenleben? Bürgerliche Ordnung, wie er sie von daheim kannte, gab es in
bestimmten Schichten kaum. Nicht einmal die Holländer, die sich seit Jahren am
Kap eingerichtet und die Herrschaft übernommen hatten, waren bislang in der Lage
gewesen, dieses annektierte Gebiet wirklich zu zivilisieren.
Es war also kein guter Tag, um zum Hafen
hinunterzufahren. Aber er musste bei Hanne einige Dinge abholen, die er bestellt
und die der Händler bei ihr gelagert hatte. AuÃerdem waren etliche
Rebensetzlinge für ihn geliefert worden, diesmal aus der Heimat, aus dem
Rheingau.
Ben biss sich auf die Lippen, bis er Blut
schmeckte. Am liebsten hätte er diese Ladung gar nicht angenommen, doch Stolz
konnte er sich unter den harten Lebensbedingungen hier nicht leisten.
Vor einigen Wochen hatte er zum ersten Mal von
Afrika aus einen Brief nach Hause geschrieben â vor allem, um seine Mutter zu
beruhigen. Sie sollte erfahren, dass er angekommen war, ohne Schaden zu nehmen,
und dass es ihm gutging. Er schrieb, dass er die Hütte des GroÃvaters gefunden
und ausgebaut hätte, dass es sogar noch einige Reben gab, die Trauben trugen. Er
zeichnete ein lebhaftes Bild vom bunten Treiben am Kap und davon, wie schwer und
doch wie erfüllend die Arbeit auf dem Land war.
Eine junge Schwarze arbeitet
mit mir auf dem Land , schrieb er. Sie ist durch
kuriose Umstände zu mir gekommen, und ich biete ihr Essen und ein Dach über
dem Kopf. Sie hilft mir dabei, den Weinberg zu bestellen. Ohne ihre Hilfe
wäre ich ganz sicher verloren. Sina ist nicht das, was man hier gemeinhin unter einer
Sklavin versteht , hatte er angemerkt. Sie ist
klug und fleiÃig. Ich brauche ihr nichts zu befehlen, sie sieht von allein,
was getan werden muss. Und Arbeit gibt es genug, auch wenn mein Weinberg
sich noch lange nicht mit den groÃen Anbauflächen von Groot Constantia und
den drei anderen groÃen Weingütern in der Umgebung messen kann.
Dann berichtete er noch von den wenigen Tieren,
die zu seinem Grund gehörten, und schloss mit den Worten: Ich grüÃe Euch alle aus der Fremde. Dich, liebe Mutter, umarme ich und bin
und bleibe Euer Sohn und Bruder Ben.
Da er keine eigene Anschrift hatte, weil sein
Weingut auf keiner Karte verzeichnet war, hatte er Hanne gefragt, ob er ihre
Adresse angeben dürfe, falls er jemals Post aus der Heimat bekommen sollte.
Seither hatte er einen Brief von der Mutter
bekommen, einen weiteren vom Vater. Doch während die Mutter ihm in ihrer
liebevollen Art Gottes Segen und gutes Gelingen bei all seinen Vorhaben
wünschte, hatte der Vater nur geschrieben:
Da Du es vorgezogen hast, die Heimat bei Nacht und Nebel zu
verlassen wie ein Dieb, sehe ich keine Notwendigkeit, Dich weiterhin zu
behandeln wie einen Sohn. Ich werde Dir 500 Rebensetzlinge schicken â nimm sie und ziehe, wenn Du
kannst, einen ordentlichen Wein daraus. Damit sind alle Ansprüche auf Dein
Erbe abgegolten. Vater.
Oh, wie gern hätte er diese Setzlinge ins Meer
geworfen! Sein Vater war ein so hartherziger Mensch! War es für den alten
Ruhland bedeutungslos, dass sein eigener Bruder Ben die Braut weggenommen hatte?
Nein, das zählte nicht für den Vater. Der sah nur seinen Besitz â und
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