Im Herzen der Feuersonne

für uns anlegen will, muss dieser
eingezäunt werden. Der Hühnerstall ist sicher schnell gebaut, und ich müsste
Will endlich ein eigenes Bett zimmern … Unendlich viel war vor Einbruch von
Herbst und Winter noch zu tun!
    Von diesen Gedanken angetrieben, spannte er die
Pferde wieder an und kletterte auf den Kutschbock.
    Während er durch die Landschaft fuhr, die so ganz
anders war als sein Heimatland, wollte ihn für einen Moment wieder der Mut
verlassen. Wie rasch sein Geld dahinschmolz! Aber dann erblickte er sein Land,
das Land seiner Hoffnung, und er sah Sina, die auf der Erde hockte und sich
jetzt, da sie das Fuhrwerk hörte, aufrichtete. Sie stützte die rechte Hand in
den Rücken und beschirmte die Augen mit der anderen, um zuzuschauen, wie das
Gespann durch die letzte kleine Talmulde fuhr und dann dicht vor ihr stehen
blieb.
    Auch Will kam angelaufen und sah ihn an aus
großen runden Augen, die Ben immer an die Herzkirschen aus dem heimatlichen
Garten erinnerten.
    Â»Na, warst du artig?«
    Â»Klar, immer!« Will kam vertrauensvoll näher und
schielte auf Bens Jacke. Von seinem letzten Besuch in der Stadt hatte Ben ihm
einige Bonbons mitgebracht – für Will eine nie zuvor gekannte Köstlichkeit.
    Ben sprang vom Kutschbock. »Hier, die sind für
dich.« Er streckte dem Jungen drei Zuckerstangen entgegen – eine gelbe, eine
rote und eine grüne.
    Wills Augen leuchteten. »Danke!« Er wollte sich
gleich alle drei auf einmal in den Mund stecken.
    Â»He, nicht alle auf einmal«, lachte der junge
Winzer. »So schnell bin ich nicht wieder in der Stadt.«
    Sina trat auf ihn zu. Sie hatte ein einfaches
Leinentuch um den Kopf geschlungen, um sich vor der Sonne zu schützen. In den
schlanken Händen hielt sie eine Hacke und einen Korb, mit denen sie Steine vom
Feld gesammelt hatte. »Habt Ihr alles bekommen?«, erkundigte sie sich.
    Â»Schau nach!« Er wies zur Ladefläche, wo jetzt
die Hühner wieder aufgeregt zu gackern begannen.
    Â»Gut sehen die aus«, sagte Sina nach einem
prüfenden Blick auf das Federvieh. »Ein bisschen mager, aber das wird schon.«
Dann sah sie das Fenster und klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Eines
Tages wird es ein schönes Haus sein!«, rief sie. »Mit Fenstern und Türen, mit
einem großen Tisch und Stühlen, mit Lampen und Teppichen, Wäschetruhe und
Kommode und …«
    Â»Hör auf, Sina«, wehrte Ben ab, doch er konnte
sich angesichts ihrer beinahe kindlichen Freude eines Schmunzelns nicht
erwehren. »So weit sind wir noch lange nicht.«
    Sina zuckte nur mit den Schultern. Sie war jetzt
schon mehr als zufrieden und half Ben, alles abzuladen und anschließend die
Pferde zu versorgen. Die Hühner mussten in der Zwischenzeit in einer Kiste
ausharren, was vor allem Will nicht gefiel, der annahm, dass auch diese Tiere
gekauft worden wären, damit er mit ihnen spielen konnte.
    Dann wurde die Aufmerksamkeit des Jungen auf all
die Dinge gelenkt, die Ben aus der Stadt mitgebracht hatte, und er fuhr sacht
mit dem Finger über die Beutel und betrachtete eingehend alles, was der Wagen
geladen hatte: Mehl, ein bisschen Fleisch, etliche gepökelte Fische, Maiskolben,
Saatkartoffeln und eine weitere Lampe, damit auch Sina und Will in ihrer kleinen
Kammer etwas Licht hatten.
    Â»Hier – für dich.« Ein wenig verlegen reichte Ben
Sina das Päckchen mit ihrem Geschenk.
    Â»Für mich?« Sina blickte ihn ungläubig an. Doch
dann schnürte sie mit zitternden Fingern die Kordel auf – und stieß einen
unterdrückten Freudenschrei aus. Das Seidentuch schimmerte im späten Abendlicht,
und gegen ihre dunkle Haut wirkte das Grün noch leuchtender und prachtvoller,
als die junge Frau sich das Tuch jetzt umlegte. Da störte es nicht einmal, dass
sie den mausgrauen Baumwollkittel trug, den sie sich aus Evas Sachen
herausgesucht hatte und in dem sie stets die groben Arbeiten verrichtete.
    Â»Danke, Herr.« Ihre Augen waren feucht. »Seid
bedankt.«
    Â»Du sollst das nicht sagen«, wehrte er ab. »Ich
bin nicht dein Herr.«
    Sina schüttelte gedankenverloren den Kopf, voller
Seligkeit über das Geschenk.
    Â»Gefällt dir das Tuch?«, fragte Ben. »Es steht
dir ausgezeichnet.«
    Â»Es ist sehr schön.« Sie zögerte, dann trat sie
dicht vor ihn, drehte sich aber in der nächsten Sekunde um und lief