Im Herzen der Feuersonne
würde er ihn dulden,
wenn er sich ordentlich benahm, danach aber sollte dieser Benjamin Ruhland sein
Haus nicht mehr betreten.
»Ich danke nochmals für die Einladung«, sagte Ben
steif. »Ich bin mir der Ehre bewusst.« Er verbeugte sich so formvollendet, wie
es ihm möglich war. Er fühlte sich unbehaglich in dem neuen Gewand. Nie zuvor
war er in einem so prachtvoll ausgestatteten Haus gewesen, und ihm wurde erneut
und auf schmerzliche Weise bewusst, dass Charlotte unerreichbar war für ihn.
Dabei hatte er sich die gröÃte Mühe gegeben, sich
standesgemäà zu kleiden! Er hatte bei einem englischen Schneider in Kapstadt
einen dunklen Abendanzug erworben â ein Stück, das ein anderer Kunde bestellt
und dann doch nicht abgeholt hatte. Der Schneider hatte nur wenige Ãnderungen
vornehmen müssen, der Anzug saà recht ordentlich.
Das weiÃe Hemd und die Seidenkrawatte, die er
erst zu binden lernen musste, hatte er ebenfalls in diesem Atelier bekommen. Und
er hatte ein Vermögen bezahlt dafür!
Zumindest war es in seinen Augen ein Betrag, der
ihn schwindeln lieÃ. Doch die Vorstellung, einen ganzen Abend lang in Charlottes
Nähe sein zu können, war ihm jedes Opfer wert.
» Mijnheer Ruhland,
geht doch schon einmal hinüber in den groÃen Salon. Ich komme nach, sobald ich
hier abkömmlich bin.« Charlotte nickte ihm noch einmal zu und wandte sich dann
an die nächsten Gäste, ein älteres Ehepaar aus Amsterdam, das die weite Reise
ans Kap extra zu Willems Ehren gemacht hatte. Sie wurden vom Hausherrn auf das
Freundlichste begrüÃt, und auch Helene Kreuvert wandte ihre ganze Aufmerksamkeit
nun diesen Gästen zu.
Zögernd nur folgte Ben der Aufforderung
Charlottes. Er fühlte sich immer noch unbehaglich in dieser ihm völlig fremden
Welt, die voller Prunk war. Der Saal, der fast doppelt so groà war wie sein
kleines Haus, wurde von Hunderten von Kerzen erleuchtet. Zum Teil brannten sie
an Kristallleuchtern, die ringsum die Wände schmückten, zum Teil steckten die
Kerzen auch in hohen Kandelabern, die in der Mitte und in den vier Ecken des
Raums aufgestellt waren. Und von der Decke hing ein Kronleuchter. Er war aus
zartgrünem und zartgelbem Glas, das im Kerzenlicht glitzerte wie Edelstein. Es
war ein Kunstwerk aus venezianischem Glas, das der reiche Kaufmann in der
italienischen Lagunenstadt erworben hatte. Mit einem seiner Schiffe waren sowohl
die Leuchter als auch Spiegel, wundervoll geschliffene Gläser und italienische
Tücher hierher ans südliche Ende Afrikas gebracht worden.
Mindestens hundert Menschen waren in dem
prachtvoll ausgestatteten Raum bereits versammelt. Offiziere in Galauniform, mit
roten Röcken, weiÃen Hosen und schwarzen oder weiÃen Gamaschen, an denen die
seitlich angebrachten Knöpfe glänzten. Ihre Kopfbedeckung, den obligatorischen
Dreispitz, hatten sie abgelegt, und man sah die gepuderten Perücken mit den
kurzen Zöpfen, die von schwarzen Samtbändern gehalten wurden.
Die Zivilisten waren zum gröÃten Teil in edelste
Brokatröcke gekleidet, nur hin und wieder bemerkte Ben jemanden, der einen
grauen oder dunkelgrünen Festanzug aus einfachem Tuch trug. Wesentlich
aufwendiger waren die Toiletten der Damen: knisternde Seidenroben, teils mit
weitem Rock und enggeschnürtem Mieder, zum Teil ganz modisch nach französischem
Vorbild unter der Brust gebunden, so dass man die Taille nur erahnen konnte.
Fast alle Damen hatten die Haare hochgesteckt und mit Edelsteinen, Hornkämmen
oder Bändern geschmückt.
Auf den Dekolletés glitzerten Rubine, Smaragde
und Diamanten. Drei ältere Damen, hinter deren Sessel hochdekorierte englische
Offiziere standen, musterten den jungen Deutschen durch ihre Lorgnons, als er an
ihnen vorüberging. Ben verbeugte sich knapp im Weitergehen, und er kam sich
irgendwie ungeschickt vor! Nein, das hier, das war nicht seine Welt!
Als er zur Tür schaute, sah er, dass Charlotte
gerade mit ihrer Tante den Raum betrat. Suchend sah die junge Frau mit dem
schimmernden Blondhaar sich um. Als sie Ben entdeckte, lächelte sie und trat auf
ihn zu. Helene Kreuvert zögerte, doch dann folgte sie ihrer temperamentvollen
Nichte, die offensichtlich jede Etikette zu missachten gedachte.
Helene Kreuvert, eine eindrucksvolle Erscheinung
in ihrer grauen Festtagsrobe, zu der sie als einzigen Schmuck eine fünfreihige
Perlenkette trug, sah
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