Im Herzen der Feuersonne
Kraushaar
zu und gab den entsprechenden Auftrag.
Das Mädchen nickte und gehorchte.
Eine halbe Stunde verging noch, dann mischten
sich Charlotte und ihr Vater unter die Gäste, von denen nun auch der letzte
eingetroffen war. Dem Hausherrn war zu seinem Geburtstag ausgiebig gratuliert
worden, er hatte viele Geschenke erhalten. Plaudernd schritt er von einer Gruppe
zur nächsten. Er stand eine Weile bei Handelspartnern, Bankiers, Offizieren.
Aber genauso liebenswert plauderte er mit einer Schauspielerin aus London und
einem Geigenvirtuosen aus Genua. Beide waren von Charlotte engagiert worden, um
diesem Fest mit ihrer Kunst besonderen Glanz zu verleihen.
Etwa eine Stunde verging noch so, Ben kam sich
trotz der Gesellschaft von Helene Kreuvert, die sich die ganze Zeit in seiner
Nähe aufhielt und ihn mit einigen Herrschaften bekannt machte, immer verlorener
vor. Man kam ihm höflich entgegen, aber man lieà ihn auch spüren, dass er ein
AuÃenseiter war in dieser Gesellschaft.
Der Hausherr selbst sprach nicht mit ihm, und es
wurde Ben schmerzlich bewusst, dass Charlottes Vater ihn wohl nur höflich
duldete, weil seine Tochter ihn eingeladen hatte.
Ben überlegte schon, ob er sich vor dem
Abendessen auf den Heimweg machen sollte, denn die, auf deren Gesellschaft er so
sehnlich hoffte, schien ihn auch kaum zu bemerken. Dann fiel ihm ein, dass
Madame Kreuvert ihn ja zu ihrem Tischherrn gemacht hatte â einen Affront konnte
er da nicht riskieren.
Als zwei ältere Holländer auf ihn zukamen, von
denen er inzwischen wusste, dass sie mit Willem de Havelbeer eng befreundet
waren und eine eigene Handelsflotte unterhielten, drehte er sich wie
unabsichtlich um und ging zu einer der groÃen Flügeltüren, die in den Garten
hinausführten.
Und da, endlich, kam Charlotte auf ihn zu. Sie
war allerdings nicht allein, an ihrer rechten Seite ging ein junger Offizier mit
weichen Gesichtszügen, links hielt ein eleganter Engländer ihren Arm behutsam
fest. Der hellblonde Mann, der stattlich gebaut war, wirkte sehr vertraut mit
Charlotte. Mit brennenden Augen sah Ben den blonden Hünen an. Der Anzug des
Mannes war aus feinstem Tuch; Seidenaufschläge verliehen ihm edlen Charakter.
Seine zu einer groÃen Schleife gebundene Krawatte wurde von einer Perle geziert,
die von einem Kranz aus Brillanten umgeben war.
»Sie wollten mir den Garten zeigen, liebe
Charlotte«, meinte er in diesem Moment geziert und musterte Ben abschätzig.
»Später gern, Chester, jetzt möchte ich mich
anderweitig unterhalten. Ihr entschuldigt mich, meine Herren.« Charlotte
lächelte liebenswürdig, und doch war die Abfuhr, die sie ihrem Verehrer erteilt
hatte, unverkennbar. Der junge Offizier verneigte sich knapp und wandte sich ab,
während der Blonde die Stirn runzelte. Er sah kurz von Charlotte zu Ben, dann
neigte er kaum merklich den Kopf und ging zu einer Gruppe von Herren, die ein
Stück entfernt beisammenstanden und sich lebhaft unterhielten.
Ben spürte die feindseligen Blicke des anderen
noch einige Augenblicke wie Nadelstiche auf der Haut, doch es kümmerte ihn
nicht. Er sah nur die tiefblauen Augen der jungen Holländerin, die sich jetzt
ganz ungezwungen bei ihm einhängte.
»Wie ich gesehen habe, hat Tante Helene Euch
schon examiniert«, lachte sie. »Und? Hat sie Euch leben lassen?«
»Das seht Ihr ja.« Er wagte es, seine Hand auf
ihre Rechte zu legen, und zog ihren Arm ein wenig fester an sich. »Ich fand die
gnädige Frau sehr liebenswert und gütig.«
»Oje!« Charlotte lachte leise. »Da seid Ihr einer
der ganz wenigen hier am Ort. Tante Helene ist gefürchtet für ihre scharfe
Zunge.«
»Davon hab ich nichts gemerkt.« Ben sah sich um.
»Ich glaube, sie hatte Mitleid mit mir. Ich ⦠ich passe wirklich nicht in diese
vornehme Gesellschaft â¦Â«
»Mir seid Ihr von Herzen willkommen.« Charlotte
sah ihn mit einem kleinen koketten Lächeln an. »Und das zählt doch, oder?« Sie
ging ein wenig rascher und zog Ben mit sich. Sie schritten durch einen
Wintergarten und traten dann auf eine weitläufige Terrasse hinaus. Von hier aus
führten einige Steinstufen hinunter in einen Park von so groÃen AusmaÃen, wie
Ben noch keinen zuvor gesehen hatte. Exotische Blumen, deren Namen Ben nicht
kannte, blühten hier in verschwenderischer Fülle und verströmten ihren
betörenden Duft. In der Mitte gab
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