Im Herzen der Feuersonne
Erinnerung.« Er beugte sich über
ihre Hand. »Doch jetzt kein Wort mehr von alten Zeiten. Ich freue mich, Euch
hier zu sehen. Kommt, ich hole uns noch Punsch.«
So verging etwa eine Stunde, dann bat Helene, als
Dame des Hauses, zu Tisch. Wieder einmal war Ben beeindruckt von der Pracht, die
hier entfaltet wurde. Schimmernde Damasttischdecken lagen auf der hufeisenförmig
aufgestellten Tafel. Auf kleinen goldenen Tellern standen dicke rote Kerzen.
Dazwischen lagen kleine Tannenzweige, die mit Strohsternen geschmückt waren.
Seidenschleifen und kleine gedrechselte Engelsfiguren vervollständigten diese
Dekoration. Man hörte einige Ausrufe der Bewunderung.
Aus dem Nebenraum klang leise Geigenmusik. Ein
Streichquartett war verpflichtet worden â zunächst, um beim Festmahl für dezente
Unterhaltung zu sorgen, später dann sollten die Musiker, die alle aus Ãsterreich
stammten und bereits unter Joseph Haydn musiziert hatten, bevor dieser nach
England reiste, zum Tanz aufspielen.
»Ich hätte lieber heute schon Hochzeit gefeiert«,
flüsterte Charlotte Ben zu, als der dritte Gang serviert wurde. Nach einer
delikaten Lachsroulade gab es nun zartes Perlhuhn und Entenbrust. AnschlieÃend
wurden Wildspezialitäten und Lammbraten gereicht.
Das Dessert, Pudding, Kuchen und frische Früchte,
war gerade verspeist worden, als Willem sich erhob. Sogleich erstarben die
lebhaften Tischgespräche. Und als er mit einer knappen Handbewegung die
Bediensteten herbeiwinkte und man sah, dass auf den Tabletts, die sie trugen,
Champagnergläser standen, ging ein Raunen durch den Saal.
Erwartungsvoll sahen alle zu dem hochgewachsenen
Gastgeber hin, der sich räusperte und kurz an sein Glas klopfte. Ein wenig
verlegen strich Willem sich noch einmal das weiÃe Haar glatt, dann begann
er:
»Liebe Gäste, liebe Freunde! Wie in jedem Jahr
darf ich Euch zu unserem Weihnachtsdinner herzlich begrüÃen. Wir wollen froh
zusammen sein und an die Zeiten in der Heimat denken â an damals, als wir zu
Weihnachten noch Schnee und Eis hatten statt sengender Sonne. Als wir von einem
neuen, besseren Leben geträumt haben. Nun, das haben wir jetzt erreicht! Für
dieses gütige Schicksal sollten wir dankbar sein und dieses Weihnachten als
Gnade betrachten.« Er hielt kurz inne, dann fuhr er fort: »Doch heute hat unser
festliches Beisammensein einen weiteren, ganz besonderen Grund: Meine Tochter
Charlotte wird sich mit Herrn Benjamin Ruhland verloben!« Er streckte die Hand
aus. »Kommt her, ihr beiden! Ich will der Erste sein, der euch Glück für euren
gemeinsamen Lebensweg wünscht!« Er umarmte Charlotte und küsste sie auf beide
Wangen. Dann reichte er Ben kurz die Hand. »Macht sie glücklich, meine
Charlotte. Sie ist das Wertvollste, was ich besitze.« Es klang nicht wie ein
Wunsch, es klang eher wie eine Drohung, fand Ben.
»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht«,
gab er ruhig zurück und sah Charlotte voller Zärtlichkeit an, die an diesem
Abend schöner aussah denn je.
Beifall brandete nach der kurzen Rede des
Hausherrn auf, alle drängten vor, um das junge Paar zu beglückwünschen.
Doch erst einmal zog Helene Kreuvert ihre Nichte
an sich, dann umarmte sie Ben und flüsterte ihm zu: »Alles Gute, mein
Junge.«
Ben lächelte. »Danke, Madame Kreuvert. Ihr seid
sehr gütig.«
Sie nahm seinen Arm. »AuÃerdem ⦠ich hab da noch
was für dich. Hier, steck es unauffällig ein.« Es war ein kleines Kästchen, und
er steckte es in die Tasche. Dann nahm er, gemeinsam mit Charlotte, immer neue
Glückwünsche entgegen. Willem und einer der Herren von der Hamsfield-Bank kamen
aus dem Herrenzimmer, wo sie Mokka getrunken und sich eine Zigarre gegönnt
hatten. Jetzt traten sie zu Ben und Charlotte, und Chris Hamsfield, der Chef des
Bankhauses, sagte in herausforderndem Ton:
»Liebste Charlotte, ich gratuliere Euch von
Herzen. Sicher habt Ihr Euch einen Mann ausgesucht, der Euch auf Händen trägt.«
Er warf Ben einen kühlen Blick zu. »Darf ich mir den Verlobungsring ansehen?
Oder â wie sah das Geschenk des glücklichen Bräutigams aus?«
Charlotte hielt für einen Moment den Atem an,
dann sagte sie so ruhig, wie es ihr gerade noch möglich war: »Ich denke nicht,
dass jetzt die Zeit ist, um Ihnen meine Geschenke zu zeigen, Mister Hamsfield.
Aber seien Sie versichert,
Weitere Kostenlose Bücher