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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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verletzt hatte, und er übersetzte ins Deutsche.
    »Sollte sich das nicht besser Bruder Lorenz ansehen?«, fragte Isabel ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Warika wollte nur zu Ihnen.«
    Dennoch sah sie fragend auf. Paul Lorenz saß einige Meter weiter entfernt unter einer Palme und verband das Bein eines Mannes, während fast die gesamte männliche Dorfbevölkerung Betel kauend oder Tabak aus Kalkpfeifen rauchend um die beiden herum hockte.
    »Kommen Sie zurecht, Schwester Maritz?«, rief Paul zu ihr hinüber, und Isabel bejahte nach kurzem Zögern.
    Sie war noch immer ausgesprochen zurückhaltend, aber nicht mehr ganz so verkrampft wie heute Morgen. Noah unterdrückte ein Lächeln, als er sich an ihren erleichterten Blick erinnerte, mit dem sie ihn vorhin flüchtig gemustert hatte. Seine jetzige, westliche Aufmachung mit Hemd und Hose war ihr offenbar bedeutend lieber als das laplap , das er ohnehin nur trug, wenn er auf der Jagd war.
    »Haben wir eine Pinzette?«, fragte sie leise.
    Er wühlte in der aufgeklappten Medizintasche der Mission zwischen Scheren und Zahnzangen und reichte ihr schließlich das Gewünschte. Nach ein paar weiteren Fragen und Antworten lehnte er sich zurück und beobachtete Isabel, wie sie sich behutsam um die Wunde kümmerte. Eine weiße Frau, noch dazu eine junge und hübsche, war eine Seltenheit in diesem Land, und auch wenn er versuchte, es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, kehrte sein Blick doch immer wieder zu ihr zurück. Ihre nussbraunen Haare waren zu einem Knoten gedreht, aus dem sich ein paar lockige Strähnen gelöst hatten, das zarte Gesicht war leicht gerötet. Sie saß sehr aufrecht – wahrscheinlich trug sie unter ihrer weißen Bluse eines dieser Korsetts, die in Europa Mode waren und die er sich furchtbar unbequem vorstellte. Unter dem Saum ihres langen dunkelblauen Rocks konnte er die Spitzen ihrer Schuhe sehen.
    Sie hatte die Wunde versorgt, strich nun eine Salbe darauf und begann, Warikas Arm mit einem langen Streifen Tuch zu verbinden. Ein Schweißtropfen rann an ihrer Schläfe entlang. Kein Wunder, so warm, wie sie angezogen war.
    Er bewegte seine Zehen und grub sie in die lockere Erde unter sich.
    »Möchten Sie nicht wenigstens die Schuhe ausziehen?«, fragte er, obwohl er sicher war, die Antwort zu kennen.
    Sie sah ihn missbilligend an, dann ging ihr Blick kurz zu seinen nackten Füßen. »Nein, das werde ich nicht«, erwiderte sie erwartungsgemäß.
    Sie stellte den Verband fertig und entließ die alte Warika dann mit einem freundlichen Nicken. Warika bewegte ihren Arm prüfend, bedankte sich mit einem scheuen Lächeln und ging davon.
    »Sie könnten ruhig etwas freundlicher sein«, sagte er.
    »Das bin ich doch – die Frau hat mich sogar angelächelt!«
    »Nicht zu ihr. Zu mir.«
    Ein neuer, strenger Blick traf ihn. Würde sie ihn nun mit Missachtung strafen? Nein, offenbar nicht.
    »Sie haben mich angelogen«, sagte sie.
    »Habe ich das?«
    »Ja.« Für einen Moment hielt sie seinem Blick stand. Ihre Augen hatten fast die gleiche Farbe wie ihre Haare: ein warmes, tiefes Braun. »Sie waren kein Findelkind. Zumindest nicht hier. Diese Station existiert erst seit fünf Jahren.«
    »Vielleicht bin ich ja schnell gewachsen?«
    Erneut der verärgerte Ausdruck. »Sie müssen mich nicht für dumm verkaufen, Herr Noah!«
    »Das tue ich ganz gewiss nicht, Fräulein Isabel, ich –«
    »Maritz«, unterbrach sie ihn. »Fräulein Maritz.«
    »Ich werde Sie so lange Fräulein Isabel nennen, wie Sie Herr Noah zu mir sagen.«
    Sie biss sich auf die Lippen. Täuschte er sich, oder war da ein kleines, verstecktes Lächeln zu sehen? Dann wurde sie wieder ernst. »Bruder Lorenz sagte, Sie seien vor fünf Jahren mit Herrn Finsch hierhergekommen.«
    »Dann haben Sie also mit Paul über mich gesprochen?«
    Es sah bezaubernd aus, wie sich ihr Gesicht plötzlich mit Röte überzog. »Ja … Nun, ich … Es geht mich ja auch gar nichts an.«
    »Aber es interessiert Sie?«
    »Nicht im Geringsten.«
    »Doch, das tut es. Was hat Paul noch gesagt? Hat er –«
    »Ich glaube«, unterbrach sie ihn, »da kommt noch jemand, der Hilfe braucht.«
    Sie deutete auf den Waldrand, wo sich mit zögernden Schritten eine junge Frau im Bastrock näherte, die ein Kind an der Hand führte. Yerema mit der kleinen Nikinu. Der Kopf des Mädchens war wie bei allen Jabim-Kindern glatt rasiert bis auf einen fingerdicken Schopf an der Seite des Hinterhauptes.
    Die Kleine litt an Husten und eitrigem Auswurf,

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