Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
da?«
»Ich sage ihm, dass er schlafen soll.«
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie den Kopf schüttelte. Er fuhr fort, mit dem Gecko zu reden und streichelte ihn dabei mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand vorsichtig an der zarten Bauchhaut. Von oben nach unten, wieder und wieder, bis das Tierchen die Augen schloss und in die wohlbekannte Starre fiel. Mit diesem Trick hatte er schon früher die Mädchen bezaubert.
Er hob den Kopf und streckte Isabel die Hand mit dem Gecko hin. »Sehen Sie – er schläft.«
Sie beugte sich darüber und berührte den Gecko vorsichtig mit der Fingerspitze. »Tatsächlich!«, wisperte sie verblüfft. »Wie haben Sie das gemacht?«
Ihre fast kindliche Neugier ließ ihr Gesicht aufleuchten und durchbrach ihr sonst so strenges Gehabe.
»Sie sollten öfter lächeln«, sagte er. »Dann werden Sie noch hübscher.«
Sofort schwand das Lächeln aus ihrem Gesicht. Sie stand auf, klappte die Medizintasche zusammen und griff nach den eingeschlagenen Instrumenten. »Sie müssen sich nicht schon wieder über mich lustig machen.«
»Das habe ich doch gar nicht!«, widersprach er. Aber sie hatte ihm schon den Rücken zugewandt und ließ ihn stehen.
*
Der frühe Nachmittag hatte sich mit bleierner Schwüle über die kleine Siedlung und die Missionsstation gelegt, nur selten strich eine leichte Brise vom Wasser her, hörte man das Kreischen einiger Seevögel. Isabel stand am Strand und blickte über das stille türkisfarbene Meer, das im Sonnenlicht in Tausenden von Facetten funkelte, wie eine glitzernde Fläche aus geschmolzenem Metall, über die sich ein wolkenloser tiefblauer Himmel spannte.
Am heutigen Vormittag hatte sie sich die Missionsschule angesehen, etwas auf dem verstimmten Harmonium geübt und danach mit den drei Missionsbrüdern zu Mittag gegessen. Jetzt bückte sie sich und hob ein zerbrochenes Gebilde auf, das an den Strand gespült worden war. Das männerfaustgroße, gewundene Gehäuse war weiß, rot und braun gescheckt und sah fremdartig schön aus mit seinen zackigen Auswüchsen. Es gehörte einer Tritonschnecke, wie sie in Simbang verwendet wurde, um zur Schule und zum Gottesdienst zu rufen; der dumpfe Klang, ähnlich einem Nebelhorn, trug weit. Sie legte das Gehäuse zurück. Ihr war schrecklich heiß. Hemd und knielange Unterhosen klebten ihr am Leib, und unter dem Korsett glaubte sie zu dampfen.
Die Brandung rollte in flachen, sanften Wellen an den Strand, leckte über den Sand, zog sich wieder zurück und stieß leise rauschend erneut vor. Das Wasser sah verlockend aus. Isabel blickte sich um. Alles wirkte still, wie ausgestorben. Die Missionsbrüder gönnten sich eine kurze Mittagsruhe, und auch die Jabim verbargen sich für diese heißeste Zeit des Tages in ihren Hütten. Die schmalen Einbaumkanus mit den Auslegern waren weit auf den Strand geschleift worden, die muschelgeschmückten Fischernetze hingen schlaff an einigen in den Sand gerammten Stangen, ein paar magere Hunde lagen hechelnd im Baumschatten. Auch Koki war nirgends zu sehen – wahrscheinlich war er tief in den schattigen Wald ausgewichen. Selbst den Mücken schien es zu heiß zu sein, und das Zwitschern und Zirpen aus dem Dschungel wirkte schläfrig. Niemand würde sehen, wenn sie die Schuhe auszog und für ein paar Minuten durch das seichte Wasser ginge. Und in derart flaches Gewässer würde sich auch kein Hai vorwagen.
Kurzentschlossen setzte sie sich auf einen kleinen Felsen und begann, ihre ledernen Schuhe aufzuschnüren. Erst der rechte, dann der linke, dann folgten die Strümpfe. Sie stellte Schuhe und Strümpfe ordentlich neben den Felsen, dann trat sie an den Strand.
Der Sand war heiß. Viel zu heiß. Sie musste ziemlich lächerlich aussehen, wie sie unbeholfen auf das Wasser zutrippelte, mit eiligen kleinen Schritten. Als sie die ersten vom Wasser benetzten, kühleren Stellen erreichte, atmete sie auf. Ein letzter Blick, ob sie auch niemand beobachtete, dann raffte sie ihren langen Rock und ging vorsichtig ein paar Schritte weiter.
Das badewannenwarme Wasser brachte zwar keine echte Abkühlung, dennoch fühlte es sich herrlich an, als es ihre Knöchel und Waden umflutete. Das Meer war wunderbar klar, Isabel konnte mühelos bis auf den Grund sehen. Der helle sandige Boden war weich unter ihren Füßen, sie spürte kaum die kleinen Vertiefungen und Erhebungen, die die Gezeitenströmung in den Boden modelliert hatte. Sie sah fantastisch geformte, weiße, braune und rote Korallen, zwischen
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