Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
deren Verästelungen saphirblaue Fischchen spielten; rote und weiße Schwämme, fremdartige Gewächse, kleine bunte Seesterne und moosgrünen Seetang, der hin und her wehte und ihre Waden kitzelte. Sah einen Schwarm winziger, schwarz und weiß gestreifter Fische vor ihr auseinanderstieben und eine ganz ähnliche Muschel wie die, die sie gerade am Strand gefunden hatte.
Sie raffte ihren Rock noch höher, beugte sich vor und hob die Muschel auf. Schwer und tropfend nass lag sie in ihrer Hand – und lebendig. Isabel konnte den fleischigen Körper sehen, der sich in die glänzende Windung des Gehäuses zurückzog. Vorsichtig legte sie die Muschel wieder zurück ins Wasser. Ein leiser Windhauch streifte sie, und sie richtete sich auf und drehte ihr erhitztes Gesicht mit geschlossenen Augen der Brise entgegen. So schön war es hier, so schön! Zum ersten Mal, seit sie in diesem Land angekommen war, empfand sie so etwas wie Glück.
Stundenlang hätte sie so selbstvergessen im seichten Wasser herumlaufen können. Für einen Moment überlegte sie, ob sie es wagen sollte, sich mitsamt ihren Kleidern hineinzulegen. Aber dann erschien ihr diese Vorstellung doch zu gewagt, und sie ließ es bleiben.
Kurz sah sie auf, um das Dorf und die Missionsstation nicht aus dem Blick zu verlieren. Im nächsten Moment jagte ein Schmerz, so plötzlich und heftig, dass sie laut aufschrie, durch ihren rechten Fuß bis hinauf in ihr Bein. Reflexartig zog sie den Fuß nach oben. Dabei verlor sie das Gleichgewicht, ließ ihren gerafften Rock los, taumelte zurück und landete mit einem lauten Platschen rückwärts im Wasser. Für einen Augenblick überwog der Schreck, dann kehrte der Schmerz zurück. Ihr Fuß brannte höllisch. Ausgerechnet ihr schwaches Bein! Worauf hatte sie da bloß getreten? Oder war sie gebissen worden? Mühsam versuchte sie aufzustehen, fiel aber wieder zurück, als ihr Fuß den Boden berührte und ein weiterer brennender Schmerz durch ihr Bein schoss. Sie schluchzte auf.
Hinter sich hörte sie Wasser spritzen, dann war jemand neben ihr.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen.« Wo kam Noah denn jetzt her? Sie spürte seine Hände um ihre Mitte, fühlte sich gepackt und hochgezogen. »Was ist passiert?«
»Ich … ich weiß nicht«, stammelte sie, hielt sich an ihm fest und bemühte sich, das Schluchzen, das erneut in ihrer Kehle aufsteigen wollte, zu unterdrücken. »Ich glaube, ich bin in irgendetwas … getreten. Es tut schrecklich weh.«
»Getreten?« Sein Gesicht wurde plötzlich ganz ernst. »Sie müssen so schnell wie möglich aus dem Wasser. Erlauben Sie?« Sie quiekte erschrocken auf, als er sie an Rücken und Kniekehlen fasste und wie ein kleines Kind auf seine Arme hob.
Erneut spritzte Wasser auf, und Isabel wurde kräftig durchgeschüttelt, als er sie hastig die wenigen Schritte zurück an Land brachte. In ihrem Fuß hämmerte und zog es, und Schmerz, Schreck und Angst ließ die Tatsache verblassen, dass sie fast völlig durchnässt von einem Mann getragen wurde. Er erreichte den Strand, schleppte sie aber noch weiter, hin zu einer hinter Palmen und anderem Gebüsch fast völlig verborgenen Pfahlhütte. Auf dem erdigen Platz davor ließ er sie vorsichtig sinken.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte er schwer atmend.
»Ich … Mir ist ein wenig schwindelig. Und mein Fuß brennt.« Außerdem war ihr übel, aber das wollte sie ihm nicht unbedingt auf die Nase binden. »Das kommt davon«, setzte sie noch hinzu. »wenn man barfuß läuft, wie Sie mir gestern vorgeschlagen haben.«
»Ich habe damit nicht gemeint, dass Sie durchs Wasser laufen sollen.«
»Worauf bin ich da getreten?«
»Ich bin mir nicht sicher. Hoffentlich war es kein Steinfisch.« So ernst hatte sie ihn noch nie erlebt.
»Wieso? Was ist das? Ist er gefährlich?«
Aber er war schon die Leiter hinaufgeklettert und in der Hütte verschwunden. Sie hörte ihn dort herumwühlen, dann kam er mit einem Bündel Zweige und einem kleinen, silbrig schimmernden Streichholzbehälter zurück. Er war mit silbernen Blätterranken verziert und sah genauso aus wie die Dose, die sie Conrad vor einiger Zeit geschickt hatte.
Die Empörung lenkte sie kurz von ihren Schmerzen ab. »Das war ein Geschenk für Conrad!«, entfuhr es ihr. »Wieso haben Sie es?«
»Weil er es nicht mehr braucht«, war seine knappe Antwort.
Er warf die kleinen Äste in die von Steinen umfasste Feuerstelle und schob etwas Schwammähnliches darunter. Dann holte er eines der Wachsstreichhölzer
Weitere Kostenlose Bücher