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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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hatte. Als eine weitere Eingeborene jedoch ihre abgelegte Kleidung fortbringen wollte, griff Isabel danach.
    »O nein!«, sagte sie, auch wenn die Frau kein Wort verstand. »Ich werde nicht mit freiem Oberkörper herumlaufen!«
    Ein aufgeregtes, gestenreiches Palaver entstand, in das sich auch die anderen Frauen einmischten, doch nach einigem Hin und Her ließ man ihr zumindest das Leibchen. Isabel schlüpfte schnell hinein. Zwar waren einige Haken und Ösen ausgerissen oder stark verbogen, doch mit ein bisschen Mühe konnte sie es wieder schließen. Sie hatte in den vergangenen Tagen und Stunden so viel durchgemacht, dass ihre Schamhaftigkeit stark nachgelassen hatte. Noch vor kurzem wäre sie entsetzt gewesen von der Vorstellung, nur mit einem knielangen Bastrock und ihrem ärmellosen Leibchen bekleidet zu sein. Jetzt war sie schon froh, dass sie nicht nackt gehen musste.
    Eine der Wilden packte eine Betelnuss zusammen mit etwas weißem Pulver, das wie Kalk aussah, in ein Blatt und schob es sich in den Mund. Dann rollte sie ein zweites Päckchen auf dieselbe Weise und reichte es Isabel.
    Zuerst lehnte sie kopfschüttelnd ab, aber als die Frau ihr das kleine Päckchen erneut hinstreckte, griff sie zögernd zu. Betel wirke beruhigend und anregend zugleich, hatte ihr Bruder Lorenz einmal erzählt, außerdem fördere es das Wohlbefinden. Sicher konnte es nicht schaden, wenn sie es einmal versuchte.
    Isabel hatte das Gefühl, in einen blätterumwickelten Tannenzapfen zu beißen. Vorsichtig kaute sie darauf herum. Es schmeckte unangenehm herb, und ihre anfängliche Neugier verwandelte sich schnell in Widerwillen, als ein bitterscharfer Geschmack ihren Mund füllte. Angewidert wollte sie alles ausspucken, aber die Donowai bedeuteten ihr wort-und gestenreich, es weiter zu probieren. Isabel zwang sich, den bitteren Brei weiter zu kauen. Ihr Mund füllte sich mit Speichel. Sie spürte Hitze in ihrem Körper aufsteigen, ihr Gesicht begann zu glühen und fühlte sich gleichzeitig leicht taub an. Man reichte ihr eine Schale aus einer halbierten Kokosnuss, und Isabel spie etwas Speichel hinein. Obwohl sie wusste, was sie erwartete, erschrak sie, als sie das leuchtende Rot erblickte. Als habe man ihr den Mund blutig geschlagen. Dabei hatte sie ausgespuckten Betelsaft doch schon in Finschhafen und Simbang gesehen, wo die blutroten Spritzer überall auf dem Boden prangten, und auch in diesem Dorf war es nicht anders.
    Allmählich gewöhnte sie sich an den Geschmack. Auch der Hunger hatte aufgehört, und ihr war plötzlich ganz leicht zumute. Selbst die Tatsache, dass sie sich vermutlich unter Kannibalen befand und einem ungewissen Schicksal entgegensah, erfüllte sie nicht länger mit lähmender Angst. Leise summte sie ein paar Takte aus einem Kinderlied und nickte den Frauen zu, die ihr breite Bänder aus gewebter Pflanzenfaser um die nackten Oberarme schlangen. Eine von ihnen grinste Isabel mit roten Zähnen an. Ob sie selbst jetzt wohl auch so aussah? Und wenn schon. Isabel grinste zurück. Sie fühlte sich fast ein wenig an Simbang erinnert, wo sie mit Yerema und den anderen Frauen gelacht und gealbert hatte.
    Sie kaute weiter auf dem bitteren Brei herum, während die Wilden ihr rotgeäderte Krotonenblätter und lange getrocknete Gräser in die Bänder an ihrem Oberarm steckten. Um ihre Stirn kam ein weiteres Band, auf dem die in dunklem Grün schillernden Panzer großer Käfer befestigt worden waren. Eine Kette aus kleinen Bambusstückchen vervollständigte ihre Aufmachung. Sie kicherte. Wenn ihre Mutter oder ihre Schwestern sie jetzt sehen könnten! Isabel Maritz, Pastorentochter aus Zirndorf, zurechtgemacht wie ein Pfingstochse. Oder wie eine Braut.
    Von draußen ertönte der dumpf dröhnende Klang einiger Trommeln.
    Die Eingeborenen legten Lappen und Schüsseln beiseite und drehten sich zu Isabel. »Änga, änga!« , forderten sie sie auf. Hieß das, dass sie sich beeilen sollte?
    Jetzt reichte es mit der Betelkauerei. Isabel spuckte den gesamten zerkauten roten Brei in die Kokosschale und spülte den bitteren Geschmack mit ein paar großen Schlucken Wasser fort. Dann kletterte sie, flankiert von den Frauen, die Leiter hinab. Nur eine von ihnen blieb mit den Kindern zurück im Frauenhaus.
    Sie führten Isabel durch das Dorf. Die Sonne sank rasch hinter die Baumspitzen, die langgestreckten Pfahlhütten der Donowai warfen breite Schatten. Isabel fühlte sich noch immer leicht berauscht. Bei jedem Schritt raschelte der

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