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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Moment wog er das Döschen in der Hand. Ob er das Männerhaus anzünden sollte? Dann wären die Donowai womöglich mit Löschen beschäftigt und würden keine Zeit haben, ihn und Isabel zu verfolgen. Aber dann ließ er die Dose sinken. Ein Feuer könnte schnell außer Kontrolle geraten und auch ihnen beiden schaden. Er hätte die Dose gerne mitgenommen, aber er hatte keinen Platz dafür. Also holte er sich nur seinen Bogen, der über seinem Schlafplatz hing, sowie ein paar Pfeile und verließ eilig das Pfahlhaus.
    Ein tiefer, dröhnender Laut drang zu ihm hinüber. Der Kasuar. Er stand am Zaun seines Geheges, hatte sein Gefieder aufgestellt und den leuchtend blauen Hals mit dem daran baumelnden Hautlappen aufgeblasen. Wieder stieß er ein dumpfes buu-buu-buu aus. Als ob er Noah etwas sagen wollte.
    Noah verharrte. Über kurz oder lang würde das Tier von den Donowai geschlachtet werden, und bis dahin würde es hier eingesperrt dahinvegetieren. Aber wenn er den Vogel jetzt freiließe, könnte das die Donowai auf den Plan rufen und ihre Flucht gefährden.
    »Tut mir leid«, murmelte er. »Aber das geht nicht.«
    Und als hätte das Tier ihn verstanden, wandte es ihm den mit einem helmartigen Auswuchs bewehrten Kopf zu, sah ihn an und verstummte.
    Noah hatte die kleinen Hütten am Dorfrand rasch erreicht. Hoffentlich ging es Isabel gut. Hoffentlich war sie kräftig genug, um mit ihm zu kommen. Er wusste schließlich nicht, welchen Riten sich unreine Frauen bei den Donowai unterziehen mussten.
    Als er die Tür aus Bambusgeflecht mit fliegenden Fingern entriegelte, starrte Isabel ihn an wie eine Erscheinung.
    »Du?«, stammelte sie. »Ich dachte … Was machst –«
    »Wir verschwinden«, unterbrach er sie rüde und zog sie am Arm aus dem winzigen Raum. »Schnell, bevor sie etwas merken.«
    Zu seiner großen Erleichterung wurde sie weder hysterisch, noch zierte sie sich oder überschüttete ihn mit den Fragen, die er in ihren Augen las. Sie nickte lediglich und folgte ihm stumm und zügig die schmale Leiter hinunter.
    Der ausgetretene Pfad, der zu den Beeten und weiter zum Fluss führte, war zu riskant; jederzeit konnte hier einer von den Donowai auftauchen. Stattdessen lotste er Isabel durch das Gebüsch, während er ihr leise und in aller Eile von der Expeditionsgruppe erzählte, die er am Tag ihrer Ankunft gesehen hatte.
    »Eine Expedition?«, gab sie erregt zurück, dann dämpfte sie ihre Stimme wieder. »Und das sagst du mir erst jetzt?«
    Er hielt sie fest, als sie über eine Wurzel stolperte.
    »Wann hätte ich das denn tun sollen? Ich war damit beschäftigt, unser Leben zu retten!« Er zog sie weiter. »Die Forscher waren auf dem Weg flussaufwärts, in Richtung Quelle. Wenn wir dem Fluss folgen, können wir sie mit etwas Glück erreichen. Sie werden dich zurück nach Finschhafen bringen.«
    Sie nickte zögernd.
    »Glaubst du mir?«
    Sie sah ihn an, dann lächelte sie ein wenig schief. »Es fällt mir schwer. Aber mir bleibt wohl nichts anderes übrig.«
    Das Gebüsch wurde etwas lichter. Er konnte den Weg sehen und dahinter die Felder, wo sich die Donowai-Frauen über die Beete beugten. Einige von ihnen trugen ihre kleinen Kinder in ihren geknüpften bilums , deren Trageriemen sie sich um die Stirn gelegt hatten.
    Er drehte sich, um den langen Bogen von einer Liane zu befreien, in der er sich verfangen hatte.
    Isabel erstarrte. »Noah!«, flüsterte sie heiser.
    Er fuhr herum, riss reflexartig das Buschmesser hoch. Vor ihnen stand eine junge Frau, die ihn furchtsam ansah, die dunklen Augen erschrocken auf die erhobene Waffe gerichtet. Sie stand ganz still, wie gelähmt, in ihren Händen eine Schale mit Beeren, die sie gesammelt hatte.
    »Vavine – bitte …« Isabel schüttelte flehend den Kopf. Sie sprach Deutsch, dennoch schien die Frau den Sinn dieses Wortes zu verstehen.
    Langsam ließ Noah die Waffe sinken.
    Die Frau sah erst ihn, dann Isabel wortlos an, dann schlug sie die Augen nieder und trat zur Seite.
    »Danke«, hauchte Isabel.
    Bald hatten sie die Hängebrücke erreicht, die sich über die Schlucht spannte. Noah zeigte Isabel den kleinen, im Dickicht fast verborgenen Pfad, der von hier nach unten zum Fluss führte.
    »Geh hinunter und dann wende dich nach rechts, stromaufwärts. Ich bin gleich wieder bei dir.«
    »Was hast du vor?«
    »Eine falsche Fährte legen. Die Donowai sollen glauben, dass wir über die Brücke gegangen sind.«
    Er reichte Isabel die Pfeile und den mannshohen Bogen, der ihn bei

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