Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
Frauenhaus die Zahnzange vor die Füße legte. Isabel schüttelte verwirrt den Kopf. Ihre Verwirrung legte sich jedoch, als gleich darauf eine Frau namens Vavine von ein paar anderen zu ihr geschoben wurde und man mit vielen unverständlichen Worten und begleitenden Gesten erklärte, dass die Ärmste unter Zahnschmerzen litt. Offenbar hatten die Frauen zugehört, als Noah dem Häuptling erklärt hatte, wozu die Zange gut sei, und das Instrument nun auf irgendeine Weise an sich gebracht.
Es ging Vavine sichtlich schlecht, sie litt an Fieber und wollte kaum sprechen. Isabel wartete, bis die Frau den Mund öffnete. Ein lückenhaftes, rot verfärbtes Gebiss mit abgeschabten Kauflächen sah ihr entgegen. Ein unterer Eckzahn war entzündet, das Zahnfleisch geschwollen.
Es ging einfacher, als sie befürchtet hatte. Vavine stieß ein paar wimmernde Töne aus, als Isabel die Zange ansetzte und vorsichtig hin und her bewegte, dann war der Zahn auch schon draußen.
Sie zog noch zwei anderen Frauen je einen Zahn ohne größere Probleme, und zum ersten Mal seit Tagen kam sie sich nicht mehr vollkommen unnütz vor. Die schüchterne Dankbarkeit der schwarzen Frauen fühlte sich jedenfalls großartig an.
*
In Wellen zog es durch ihren Unterleib. Isabel richtete sich auf, eine kleine Steinhacke in der Hand, und stand dann leicht vornübergebeugt und gepresst atmend da, bis der schmerzhafte Krampf nachließ. Nicht nur, dass sie unter Wilden leben musste, jetzt bekam sie auch noch ihre monatliche Blutung! Der Schweiß floss ihr über das Gesicht. Es war Nachmittag, und sie war mit den anderen Frauen in den Gärten, wo sie die Erde von Unkraut befreiten und Süßkartoffeln und Mangos ernteten.
Endlich ebbte der Krampf ab. Als sie aufblickte, sah sie einen großen bunten Wurm, der im Gras hin und her wackelte. Isabel trat ein paar Schritte näher. Ein seltsamer Wurm war das!
Sie wollte gerade danach greifen, als Hiya sie mit einem leisen Warnschrei zurückzog. Auch die anderen Frauen fuhren erschrocken zurück. Dann erst sah auch Isabel, dass es sich bei dem wackelnden bunten Ding keinesfalls um einen Wurm, sondern um die Schwanzspitze einer Schlange handelte. Einer Giftschlange, wie sie schaudernd vermutete, als sie den gedrungenen Körper in Dunkelbraun und Schwarz erblickte, der sich kaum vom Untergrund abhob. Nur die Schwanzspitze war farbig.
Mit klopfendem Herzen wich sie langsam noch weiter zurück. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Schlangen flüchteten, sobald sie den Menschen hörten. Aber diese Schlange war entweder taub, oder sie verhielt sich nicht wie gewöhnliche Schlangen. Ganz sicher nicht – wo hatte man denn schon gehört, dass eine Schlange einen Wurm imitierte?
Hiya nahm beherzt ihre Steinhacke, drückte die Schlange damit dicht hinter dem kantigen Schädel zu Boden und trennte ihr mit einem Bambusmesser den Kopf ab. Selbst dann noch wand sich der gefleckte Körper.
Isabel half mit, den abgetrennten Kopf mit seinen langen Giftzähnen im Wald zu vergraben, wo er keinen Schaden mehr anrichten konnte. Den Leib hatte Hiya in den Korb mit den geernteten Süßkartoffeln geworfen. Wahrscheinlich würden sie die Schlange später braten und essen. Wieso auch nicht? Inzwischen konnte Isabel kaum noch etwas erschüttern.
Sie richtete sich auf, und sofort zog es erneut durch ihren Unterleib. Leise seufzend krümmte sie sich wieder, die Hände vor dem Bauch. Hiya sah sie fragend an, dann glitt Verstehen über ihre dunklen Züge. Die Frauen der Donowai hatten doch sicher auch mit diesen monatlichen Malaisen zu tun. Ob sie Hiya um etwas zum Vorlegen bitten konnte? Doch bevor sie auch nur nachdenken konnte, wie sie sich am besten danach erkundigte, nahm Hiya ihr die Hacke aus der Hand und zog sie eilig vom Feld.
Was war denn jetzt passiert? Hatte sie etwas Falsches getan?
Hiya rief den anderen Frauen etwas zu, dann forderte sie Isabel hastig auf mitzukommen. Zurück ins Dorf. Vor dem Frauenhaus ließ Hiya sie warten, kehrte kurz darauf mit einer wassergefüllten Kalebasse zurück und führte sie dann zu mehreren winzigen Pfahlhütten am Dorfrand, die halb versteckt unter den Bäumen standen. Vor einer blieb Hiya stehen, kletterte die Leiter hinauf und öffnete die Tür aus geflochtenen Palmblättern. Sie winkte Isabel, zu ihr zu kommen.
Isabel erblickte eine kleine Feuerstelle, eine Schlafmatte sowie ein paar getrocknete Schwämme und Tücher. Mehr nicht. Die schwarze Frau deutete auf die Sachen und schob Isabel in die
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