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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Stamm.
    Mit einem verzweifelten Schrei wirft Jeroen sich gegen ihn, versucht, seine Mutter von Maarten wegzuziehen. Ihr Körper ist schlaff und voller Blut, sie rührt sich nicht mehr.
    Maarten hält schwer atmend inne. Johannas Körper fällt leblos in sich zusammen. Jetzt erst scheint Maarten zu begreifen. Er sinkt auf die Knie, schüttelt sie mit beiden Händen, immer wieder.
    »O mein Gott, Johanna!«, schluchzt er auf Holländisch. »Was habe ich getan?« Dann richten sich seine Augen auf Jeroen, weiten sich. »Daran bist nur du schuld!« Mühsam kommt Maarten auf die Beine. »Wir … wir müssen sie begraben.« Er verschwindet in der Hütte.
    Lauf, Jeroen, lauf! Noch immer scheint Johannas Stimme in der Luft zu schweben.
    Aber er kann nicht weglaufen, auch wenn alles in ihm danach schreit. Er ist wie gelähmt. Und er kann die Mutter doch nicht allein lassen.
    Maarten tritt mit zwei Schaufeln aus der Hütte. »He, bastaard , komm her!«
    Wie in Trance gehorcht Jeroen. Packt mechanisch mit an, als Maarten ihm eine der Schaufeln reicht und ihm befiehlt, zusammen mit ihm hinter der Hütte ein Grab auszuheben.
    Erneut setzt Regen ein, stürzen Wassermassen vom Himmel wie eine unendliche Tränenflut. Das Gewehr hat Maarten an einen Baumstamm gelehnt, wo es vor dem Wolkenbruch geschützt ist.
    Die Erde ist weich, es ist nicht besonders schwer, im strömenden Regen ein Grab auszuheben. Neben Maarten arbeitet Jeroen stumm, wie betäubt. Er fühlt weder Nässe noch Schmerz. Er fühlt einfach gar nichts, während er Schaufel um Schaufel feuchter Erde auftürmt. Bald steht er bis zur Brust in der Grube.
    Maarten hat zu graben aufgehört und sieht ihm zu, auf seine Schaufel gestützt.
    »Mach es breiter«, weist Maarten ihn an.
    Erst bei diesen Worten erwacht Jeroen aus seiner Erstarrung.
    Maarten hat seine Mutter umgebracht, und er wird auch ihn umbringen! Jeroen soll das Grab breiter machen, damit auch Platz für ihn darin ist!
    In plötzlicher Panik lässt er die Schaufel fallen und will aus der Grube klettern. Aber damit hat Maarten gerechnet.
    Ein heftiger Schmerz flammt in Jeroens Hinterkopf auf. Benommen geht er auf die Knie, Sterne tanzen vor seinen Augen, ihm ist schwindelig.
    Maarten hat ihn niedergeschlagen! Von hinten, mit der Schaufel! Aber er hat ihn nicht richtig getroffen – aus dem Augenwinkel erkennt er, wie Maarten erneut die Schaufel hebt. Er wirft sich zur Seite. Der zweite Schlag geht ins Leere.
    Irgendwie gelangt er aus der Grube. Bekommt das Gewehr zu fassen, stützt sich darauf und kommt stolpernd auf die Beine. Dann rennt er los, die Waffe fest umklammert, ohne zu wissen, wohin, nur weg von hier, fort von diesem Ungeheuer!
    Er kann nur noch verschwommen sehen, vor seinen Augen funkeln Sterne, Übelkeit drängt sich in seine Kehle. Vor sich hört er den Fluss rauschen. Jeroen läuft um sein Leben. Das Boot! Er muss das Boot erreichen, dann ist er in Sicherheit!
    Doch kurz vor dem Wasser wird seine Flucht jäh gestoppt.
    »Hiergeblieben!« Eine riesige Hand greift nach ihm, zerrt ihn zurück. Jeroen wehrt sich voller Angst. Reißt das Gewehr hoch, um sich zu schützen. Maarten fasst nach dem Lauf, will dem Jungen die Waffe aus der Hand winden.
    Ein Schuss hallt durch den Urwald. Maarten taumelt zurück, auf seinem Hemd breitet sich ein roter Fleck aus. Er schwankt, sucht Halt, dann stürzt er wie ein gefällter Baum bäuchlings in das knöcheltiefe Wasser am Ufer.
    Jeroen kann sich nicht rühren vor Schreck.
    Ist er tot? Ist Maarten tot?
    Ihm ist übel, und in seinem Kopf rauscht es. Alles dreht sich. Was hat er getan? Hat er Maarten … erschossen?
    Seine Beine geben unter ihm nach, er geht auf die Knie, erbricht sich ins Gebüsch. Er sieht alles wie durch einen roten Schleier, fasst an seinen schmerzenden Hinterkopf. Seine Hand ist voller Blut. Vielleicht ist er auch schon tot, und was er hier erlebt, ist der Himmel? Aber nein, jemand wie Maarten kommt sicher nicht in den Himmel. Dann ist er also in der Hölle? Er will nicht in der Hölle sein. Die Hölle ist ein grausiger Ort.
    Ein ersticktes Gurgeln schreckt ihn auf: Maarten hebt mühsam den Kopf, Wasser schwappt über seinen roten Bart. Er hustet gurgelnd, schaumiges Blut dringt aus seinem Mund, tropft ins Wasser.
    »Hilf … mir …«, keucht er kaum verständlich.
    Jeroen schiebt sich erschrocken zurück. Maarten versucht sich aufzurichten, hustet roten Schaum, dann fällt sein Kopf zurück ins Wasser. Sein Körper zuckt, krümmt sich.

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